• 25.04.2024

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Soldaten sind Menschen

schuetze

» Artikel vom

Gastautor: ibamvidivici

Stell dir vor, es ist Krieg.
Und du gehörst zur unterlegenen Nation.
Dann kommt der Krieg zu euch.
Bis vor das Wohnzimmer.
Was dann geschieht …

Szenario 1

Ein Stadt wurde eingenommen. Die Front ist bereits weiter gezogen, um den Feind noch weiter zurückzudrängen. In dieser besetzten Stadt befinden sich nun ein sozial hochexplosives Gemisch aus vormalig feindlichen Völkern; dazu Flüchtlinge aus den besetzten Gebieten um die Stadt, alle mit Mangel an allem: warme Decken, Wasser zum Trinken und Waschen, Nahrung usw. Alles ist knapp. Viele haben durch den Kampf um die Stadt einen Vater oder Sohn – also alles, was ihnen im Leben wichtig war, keinen einfachen materiellen Tand – verloren. Soziale Bindungen und Kontrolle sind bei den Bewohnern und den neu hinzugekommenen (Flüchtlinge, Besatzer und Verwaltungsbeamte der Besatzer) größtenteils aufgelöst, da sie alle ihren vorherigen Bindungen entrissen wurden. Das Verantwortungsgefühl gegenüber seinem unbekannten Nebenmann ist nahe Null. Es herrschen überall chaotische Verhältnisse, wodurch natürlich die Lebenserwartung für diese Stadt rapide und stark gesunken ist.
Einige Bewohner der Stadt sind in den Untergrund gegangen. Aus dem Hinterhalt töten sie regelmäßig einen Besatzungssoldat oder einen Beamten der Besatzungsmacht oder auch nur eine Oma oder ein Kind aus dem Volk der Besatzer mittels einer Pistole oder einer Sprengfalle.
Die Besatzungsmacht versucht Ordnung in die Stadt zu bringen und die Wildweststimmung zu beenden, mittels drakonischem Vorgehen und harten Strafen. Auf kleine Vergehen wird das Standgericht verhängt. Die Besatzungssoldaten patrouillierten durch die Straßen und Gassen. Immer wieder kommt es für sie dabei zu Zwischenfällen, bei denen einer ihrer Kameraden erschossen oder die ganze Truppe von einer Granate verkrüppelt wird.
Obwohl schwer bewaffnet, hat so eine Patrouille doch die gleichen Ängste wie die, die ihnen heimtückisch auflauern: plötzlich mit einer Kugel aus dem Leben gerissen zu werden, oder schlimmer, obwohl man der Front entkommen ist, dennoch als Krüppel zu enden, mit nur 23 Jahren!

In dieser Patrouille läuft heute Obergefreiter Michael mit. Als einer von acht Mann durchstreifen sie die Stadt, um für Ordnung zu sorgen. Michael ist Humanist, gläubiger Christ, will gerecht handeln und niemandem Schaden. Hat seit seinem Schulabschluss nicht mehr gelogen oder einen unfairen Vorteil für sich herausgeholt. Aufrichtig und rechtschaffen zu leben und zu handeln ist sein an sich selbst gestellter Anspruch. Manchmal fühlt er ein bisschen stolz bei seiner Aufgabe, der besetzten Stadt endlich wieder Ruhe zu bringen und den kriegsgebeutelten Zivilisten so langsam wieder ein normales Leben zu ermöglichen. Abends in der Kaserne der Stadt bekommt er nun fast täglich einen Toten oder verkrüppelten Kameraden zu sehen, welche von den Freischärlern oder Partisanen aus dem Hinterhalt erwischt wurden. Auch Michael will weiterleben und später eine Familie mit vier Kindern haben, mit denen er unter dem Weihnachtsbaum eine Eisenbahn aufbauen kann. Wie er so von dem hoffentlich baldigen Frieden träumt, nimmt er bei seiner Patrouille durch die Stadt aus den Augenwinkeln plötzlich einen Gewehrlauf wahr, der aus einem Fenster im dritten Stock zwischen den Vorhängen auf seine Gruppe gerichtet wird. Geistesgegenwärtig dreht er sich um, zielt und schießt. Der Gewehrlauf verschwindet sofort, im Haus ertönen Schreie. Michael zittert, nicht wegen des Schusses, das ist er gewöhnt. Sondern weil er erst jetzt realisiert, dass er gerade nochmal dem Tod entronnen ist, einfach weil er schneller war als der hinterhältige Mistkerl da im dritten Stock! Ein paar Sekunden Benommenheit gehören da dazu, doch dann ist er wieder voll bei der Sache. Seine Gruppe eilt in das Haus und stürmt in den dritten Stock, um den Mistkerl (bestimmt einer von dieser Untergrundterrorgruppe!) gefangen zu nehmen. Im Haus ertönen bereits Schreie und aus der Wohnung im dritten Stock das Heulen eines Mannes. Michael stürmt in die Wohnung zu dem Fenster, aus dem sie beschossen worden ist. Am Boden des Fensters kniet ein Vater, der die hereinstürmenden Soldaten mit entsetzlichem Gesichtsausdruck voller Tränen ansieht. In den Armen hält er einen toten kleinen Jungen. Daneben am Boden liegt das Corpus delicti: Ein Besen! Der Junge hatte mit dem Besen in der Nähe des offenen Fensters gespielt, wobei das hohle Besenstielrohr aus dem Fenster ragte, was Michael fälschlicherweise für ein Gewehr gehalten hatte. Dumm gelaufen, passieren derzeit in dieser besetzten Stadt unter solchen Umständen aber oft solche Fehleinschätzungen.

Später wird der Vater, der seinen einzigen Sohn verloren hat und keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht, mittels eines selbstgebauten Sprengsatzes aus Benzin und Farbtopf einen Lokführer töten, der gerade als Ziel verfügbar war, als er abends allein am Gleis einen paar Wagen für den Nachschub rangierte.
Bis zu diesem Tag war dem Vater eigentlich egal, dass seine Stadt besetzt ist. Die Kriege der Mächtigen dieser Welt interessierten ihn wenig. Auch konnte er das Verhalten der Besatzer verstehen, welche auf Grund des Untergrundkampfes seiner Landsleute entsprechend schnell am Drücker sein mussten. Doch schlußendlich führte der Untergrundkampf seiner Landsleute zu der Situation, in der sein Sohn unschuldig erschossen wurde.

Szenario 2

Eine Kommandoeinheit von zehn Mann operiert heimlich als Zivilisten getarnt hinter den feindlichen Linien zum Zwecke der Sabotage. Werden sie vor oder nach Erfüllung ihres Auftrags entdeckt ("aufgerieben"), droht allen Beteiligten die Vernichtung (= Wort, das man während des Krieges für Töten benutzt). Das ist im Krieg so üblich und von der Haager Landkriegsordnung gedeckt, je nach Klassifizierung der Ertappten mit oder ohne vorherigen Prozess. Man stelle sich jetzt die Situation vor, dass während des Einsatzes so einer Kommandoeinheit plötzlich einer durchdreht: Er schmeißt alles hin und will einfach gehen oder er fängt wildes Schreien an. Dadurch besteht für alle das Risiko, entdeckt zu werden. Der Kommandoführer – und jeder andere aus dieser Einheit – wird dieselbe Ansicht haben: Bei dieser Operation ist mit 30 % Verlust (d.h. Tod) für jeden zu rechnen. Daher gilt für jeden von uns: Besser du als ich! Und so wird man den, der das ganze Unternehmen zu verraten droht, lieber sofort erschießen, wenn er nicht sofort still ist, als den eigenen Tod bzw. das Risiko für den eigenen Tod zu erhöhen. Auch wenn man sich sicher ist, dass der, der da gerade durchdreht, gar kein V-Mann des Feindes sein kann, sondern wirklich nur einen psychischen Kollaps hat, aber sich nicht beruhigen lässt. Soldaten sind ganz normale Menschen, die wie jeder Zivilist die gleiche Höllenangst davor haben, mit Anfang 20 als Jungfrau zu sterben. Nur dass bei ihnen Kleinigkeiten den Tod bedeuten können, bspw. wenn einer aus der Gruppe mal kurz durchdreht.

Wenn man gegenüber den eigenen Leuten – um sein Leben zu retten – schon gnadenlos ist, wird man das erst recht gegen die Bürger des feindlichen Landes sein, wenn einem durch diese nur das Risiko des eigenen Todes droht. Bspw. wenn man zufällig von einem Bauer auf dem Feld bei einem Kommandounternehmen entdeckt wird. Und der entdeckte Soldat eben nicht weiß, was der Bauer nach dieser Entdeckung tun wird. Denn im Krieg gilt: Besser du als ich. Es werden Leute sterben, lieber ein anderes Leben, als dass für meines ein erhebliches Sterberisiko entsteht. Sein eigenes Leben möglichst zu erhalten, vor allen anderen, ist menschlich und voll nachvollziehbar.
Nach dem Krieg wird ein Richter den Soldaten wegen des Tötens eines unschuldigen Bauern als Kriegsverbrecher verurteilen. Besonders wenn seine Nation den Krieg verliert. Weil ein Richter nie begreifen wird, welchen Zwängen ein Soldat im Einsatz unterliegt. Und zwar aus dem gleichen Grund, warum kein Richter eine Ungleichbehandlung darin sieht, wenn ein Vater nur vier Stunden pro Monat, ein Mutter aber 716 Stunden pro Monat Umgang mit dem Kind hat: Er kann sich nicht in die Situation eines anderen oder einer anderen Zeit hineinversetzen, da er zu selbstbezogen ist.

Als Bauern oder auch Wanderer sollte man es einfach vermeiden, in einem Krieg ein Kommandounternehmen des Feindes versehentlich zu entdecken. Da das einem nicht in der Hand liegt, ist es allerdings Schicksal.

Übrigens, da Haager Landkriegsordnung und Genfer Konventionen oft verwechselt werden:
Die Haager Landkriegsordnung regelt das Kriegsgeschehen an sich (Umgang der Kombattanten, wie startet/beendet man Feindseligkeiten, Verhalten bei Besatzungen); Die Genfer Konventionen regeln den Umgang mit Nichtkombattanten (Verwundete, Schiffbrüchige, Zivilisten, Kulturgüter) während des Krieges.

Szenario 3

Eine Stadt ist besetzt. Wie in jeder besetzten Stadt im Krieg, bildet sich sofort Widerstand. Untergrundgruppen werden aufgebaut, heimliche Waffenlager in den Kellern verlässlicher Landsleute angelegt. Die Nerds unter den Mutigen bauen ein verschlüsseltes Kommunikationsnetz unbemerkt von den Besatzern auf. Den Bewohnern der Stadt ist zudem nicht verborgen geblieben, dass die Besatzer vom Krieg sehr geschwächt sind und in vielen Bereichen dünn und mit kriegsmüden Soldaten aufgestellt sind. Das ist die Situation, die die Besatzungsmacht händeln muss. Auch haben die Besatzer längst festgestellt, dass die Besetzten ihnen nicht wohlgesonnen sind.
Zur einfachen Kontrolle der besetzten Stadt stellen sie alle paar Kreuzungen eine Straßensperre auf, um die Organisation eines Widerstandes zu verhindern.
Hans und Otto haben heute Dienst an so einer Straßensperre. Wie jeden Tag bedeutet das: rumstehen und aufs Mittagessen warten. Nach dem Mittag dann müde rumstehen und auf den Schichtwechsel warten. Da die Stadtbewohner zur Arbeit und zum Einkaufen müssen, passieren täglich Hunderte die Straßensperre. Diese müssen beobachtet werden und stichprobenartig durchsucht werden, dass keine Waffen oder Sprengstoffe geschmuggelt werden. Da plötzlich: Ein Auto fährt auf die Straßensperre zu. Das ist normal. Täglich passieren mehrere Autos und auch Laster zur Versorgung der Stadt die Straßensperre. Alle müssen anhalten und werden durchsucht. Doch dieser Kleinwagen jetzt: Warum bremst er nicht? Eine Autobombe? Ein Kamikazeangriff? Wie jeder Soldat denken auch Otto und Hans jetzt nur eins: Ich will noch nicht sterben oder die Beine weggesprengt kriegen!

Otto eröffnet zuerst das Feuer. Hans gibt ebenso ein paar Schüsse auf den Wagen ab. Der Wagen schlingert und kracht gegen die nahe Laterne. Otto und Hans überprüfen den Wagen: Eine Mutter mit zwei Kindern. Ein Sprengsatz oder eine Waffe wird selbst nach Zerlegung in einer zu diesem Zweck kurzerhand beschlagnahmten Werkstatt nicht gefunden. Die unwissende Mutter war einfach zu schnell auf die Straßensperre zugefahren. Sie kannte den kriegstypischen Verhaltenskodex nicht. Viele Menschen haben für den Fall, dass ihre Stadt von Soldaten besetzt ist, eine angeborene Vorsicht oder Fingerspitzengefühl. Aber nicht jeder. Viel später dann werden Hans und Otto wegen dieser Tat (eigentlich aus Selbstschutz) als Kriegsverbrecher verurteilt.

Man sollte allgemein vermeiden, unnötig mit einem Auto in eine Straßensperre des Feindes zu geraten. Und wenn man doch von A nach B muss, also da durch, dann langsam, mit offenen Scheiben, beide Hände sichtbar oben auf dem Lenkrad liegend, auf die Schranke und nicht auf die Soldaten zufahren. Aber sicher ist man dabei nie und man weiß nie genau, wie die Soldaten reagieren werden.

Szenario 4

Ein Bruderkrieg zwischen zwei modernen Nationen, welche die Kriegsgesetze kennen und allgemein achten. Die befeindeten Armeen kämpfen erbittert gegeneinander um ein Fleckchen Erde irgendwo in Europa. In beiden Armeen werden die Soldaten pflichtbewusst alle drei Monate über den Umgang mit Kriegsgefangenen geschult (wie es in den nationalen Vorschriften steht): Hisst ein feindlicher Trupp die Hände oder zeigt sonst irgendwie an, dass er aufgibt, wird er von den Frontsoldaten aufgenommen und von denen (ein Soldaten je 100 Feindkräften) mit erhobenen Händen zu den Soldaten im Hinterland abgeführt, um dort von den Mitarbeitern im Stab entwaffnet und zu einem Kriegsgefangenenlager abtransportiert zu werden.

Nun tobt also ein Kampf um diese Felder und Bauernhöfe in einem Grenzland in Europa. Eine Seite zeigt klare Überlegenheit. Ihr Gegner erkennt das, und statt sich abmurksen zu lassen, heben sie die Hände. Es handelt sich um mehrere Trupps mit insgesamt 500 Mann, die sich ergeben. An den anderen Stellen der Front wird natürlich weiter gekämpft. Den Kriegsgefangenen wird also befohlen, ihre Gewehre und Pistolen auf einen schnell herangefunkten Laster zu schmeißen. Keiner wird durchsucht, das ist direkt an der Front unüblich. Man muss schließlich weiterkämpfen und hat keine Zeit, einzeln die Feindsoldaten abzutasten. So läuft es tatsächlich an der Front. Es gibt schließlich das Kriegsrecht, von dem der Soldat ausgeht, dass es der jeweils andere achtet. Und darin steht nunmal geschrieben, dass Soldaten, die sich ergeben, nicht mehr weiterkämpfen. Für sie ist der Krieg vorbei.
Die siegreichen Frontsoldaten wählen zehn von sich aus, die mit den 500 kriegsgefangenen Feindsoldaten ins Hinterland marschieren sollen, um sie dort beim Stab restlos zu entwaffnen und abzufertigen. Alle anderen Frontsoldaten ziehen weiter siegreich gegen den ansonsten noch kämpfenden Feind vor. Man stelle sich während dieser Szene noch Artillerieexplosionen und Geschrei nach Muni oder Sani um sich herum vor. Das ist die Lage, unter der die zehn Soldaten mit den 500 Kriegsgefangenen ins Hinterland abziehen.

Da marschieren nun zehn Soldaten der Sieger mit den 500 kriegsgefangenen Männern des Feindes. Je weiter sie sich der Front entfernen, um zum Stab zu gelangen, desto mehr wird den Kriegsgefangenen bewusst, dass sie auf diesem Marsch eigentlich in der Überzahl sind. Die Kriegsgefangenen tuscheln untereinander und stellen fest, dass die meisten von ihnen ihre Pistolen und Messer unter dem Wintermantel behalten haben. Nur die offen getragenen Gewehre wurden auf den Laster geschmissen. Am Laster war so ein Gedränge und Hast, dass gar nicht auffiel, was man abgegeben hat und was nicht. Und viele haben in der Hektik ehrlich vergessen, ihre übrigen Waffen auch auf den Laster zu schmeißen. Ein paar der Kriegsgefangenen, die mit etwas mehr Abstand zu den Bewachern laufen, beschließen, die zehn Bewacher überraschend auf ein Signal hin zu überwältigen. Die anderen knapp 500 Kriegsgefangenen würden schon mitmachen. Denn hinzu kommt ja, dass die Bewacher selber von dem Kampf (4:30 Uhr morgens war Antreten) müde sind und mit ihrem ganzen Gepäck marschieren müssen, während die Kriegsgefangenen leichter und ohne die schweren Gewehre unterwegs sind.

Das Signal unter den Kriegsgefangenen wird gegeben, und zeitgleich zücken eine Handvoll von ihnen ihre Pistolen und schießen. Die zehn Bewacher spüren die Schüsse auf sich. Die meisten gehen zum Glück vorbei, aber zwei fallen sofort um. Die Bewacher erheben nun eilig ihre Gewehre und schießen auf die Ecke dieses Kriegsgefangenenhaufens, aus denen die Schüsse kamen. Scharf geschossen in die Menge ergibt viele Tote. Es kippen 10, 20, 30 Leute um. Die übrigen Kriegsgefangenen haben die Schüsse auf ihre Bewacher gar nicht richtig mitgekriegt, merken aber sofort, dass sie unter Beschuss stehen. Artig sind sie als Kriegsgefangene marschiert, jetzt werden sie beschossen! Schreiend stoben sie auseinander. Die umliegenden Felder bieten wenig Schutz, und sie wissen selbst, dass auf fliehende Kriegsgefangene geschossen wird. Das passiert auch, aber die Bewacher sind von dieser Situation selbst so überfordert, dass sie selber – jetzt, da alles von ihnen flieht – erstmal Deckung suchen und die Fliehenden fliehen lassen. Am Ende lautet die Bilanz: Ein Drittel der Kriegsgefangenen wurde erschossen, ein Drittel konnte später wieder aufgespürt und wieder gefangen genommen werden, ein Drittel konnte erfolgreich fliehen und ihre eigenen Linien erreichen. Später erzählen sie dort ihren Kriegsfotografen-Kameraden, dass sie sich konform als Kriegsgefangene verhalten haben und überraschend bei ihrem Abtransport absichtlich erschossen werden sollten. Anders lassen sich die Schüsse auf sie nicht erklären. Die Kriegsfotografen machen aus dieser Erzählung in der Presse eine Geschichte von einer geplanten Hinrichtung durch diesen blutrünstigen, mordlüsternen Gegner, der dieses Image bei seinem Feind nicht mehr loswerden wird. Dabei war es dieser Feind, von dem sich einzelne nicht an den Kriegskodex gehalten haben.

Soldaten, die ihr Leben als gesichert hielten, als sie sich dem Feinde ergaben, um in die sichere Kriegsgefangenschaft zu gehen, haben dadurch dennoch ihr Leben verloren. Weil sich etwa 1 % unter ihnen nicht an die Regeln des Krieges gehalten hat und durch Heimtücke auf die feindlichen Bewacher die Niederlage in einen Sieg umwandeln wollte. Im Krieg ist noch mehr, nämlich das Leben, vom Verhalten der Kameraden abhängig als im Frieden. Nicht zu vergessen, dass diese anderen, von denen seine Leben abhängt, gerade erst Anfang 20 sind und teilweise in der Dritten Welt eingekauft wurden. Also von der Erfahrung & Intelligenz eines Klimaklebers. Kriege sind für jeden einzelnen kämpfenden Soldaten von der Gefahr vergleichbar mit einer Autobahn, auf der alle 200 km/h fahren, und wenn wenige als Rowdys Fehler machen, viele in einer Massenkarambolage sterben.

Conclusio

Im Krieg entwickeln sich Dynamiken, mit denen nur sehr wenige rechnen, wenn man nur den Frieden kennt. Allgemein führen diese Dynamiken zu einer höheren Übersterblichkeit, besonders wenn dieser Krieg direkt in der eigenen Stadt gekämpft wird und man von Nachbarorten und Versorgung abgeschnitten ist. Noch höher wird die Übersterblichkeit, wenn die Front bereits durch den eigenen Wohnort durchgezogen ist, aber sich Partisanengruppen gebildet haben, die den neuen Besatzer aus dem Hinterhalt bekämpfen. Dann wird jeder Zivilist zur Zielscheibe der Besatzungstruppen, weil er derjenige sein könnte, der dem Soldaten der Besatzungsmacht – der sich nach den Partisanenmeldungen in seinem Gebiet sowieso nicht mehr auf eine friedliche Patrouille eingestellt hat – den Tod bringen könnte. Entsprechend übereifrig im Töten werden sich die feindlichen Soldaten auch gegenüber Zivilisten verhalten, aus Vorsorge um das eigene Leben.
Als Zivilist sich irgendwie als ungefährlich darzustellen, z.B. sich selbst mit einer weißen Flagge zu markieren, wird dabei nicht helfen, denn der Feindsoldat könnte das auch für einen besonders perfiden Trick der Untergrundkämpfer halten, weil dieser Trick eben bereits angewendet wurde (was ich als Zivilist nicht weiß), und dann wird der Soldat erstrecht prophylaktisch den Abzug drücken, weil er sein Leben in Gefahr sieht. Selbstschutz gegen die Besetzten aus dem fremden Volk wird ihm kein Vorgesetzter vorwerfen, weil sie diese Situationen kennen.

Wenn ein paar Journalisten oder Historiker irgendwo ein Kriegsverbrechen zu erkennen vorgeben, um die beteiligten Soldaten als blutrünstige Bestien oder als nichtmenschlich festzulegen, handelt es sich vielleicht nur um ungeplante Reaktionen der Soldaten auf die Todesgefahr im Kampfgebiet, weil ein Soldat kein seelenloses Kanonenfutter, sondern ein ganz normaler Mensch ist, der den Tod ganz genauso fürchtet wie jeder andere journalistische Wichtigtuer auch.
Hinzu kommt, dass Kriegssituationen den Soldaten extrem beanspruchen: Es fehlt ihm seit Monaten permanent an Schlaf und er steht kontinuierlich unter Stress; vergleichbar damit, wenn man übermüdet den ganzen Tag 200 km/h auf der Autobahn fahren muss, wobei man auch alle anderen Verkehrsteilnehmer im Blick behalten muss, dass sie einen nicht in die Spur lenken, wovon man plötzlich sterben würde. Aber der Soldat sitzt dabei nicht im warmen Auto, sondern ist jeden Tag draußen bei eisigem Wind und Wetter. Seine Gliedmaßen sind von Kälte und Nässe beschädigt (Immersionsfuß), die Kleidung seit Wochen verschwitzt und kratzt vom Dreck und Insekten. Das sind die Faktoren, die den Soldaten plagen, wenn man als Zivilist auf ihn trifft.

Und noch eine wichtige Erkenntnis: Man ist im Krieg direkt von den Bewohnern in seiner Umgebung, in seinem Dorf, seiner Stadt, seinem Land, abhängig. So wie sich seine Mitmenschen gegenüber der Besatzungsmacht verhalten, wird sich die Besatzungsmacht gegenüber allen Zivilisten verhalten. Man ist von denen, mit denen man in derselben Stadt oder im selben Land lebt, abhängig, da diese darüber entscheiden, wie locker letztendlich dem Besatzungssoldat der Finger am Abzug geht, der in Sekundenbruchteilen eben nicht einschätzen kann, ob der scheinbare Zivilist ihm gegenüber harmlos oder gefährlich ist. Man sollte die Menschen in seiner Umgebung daher halbwegs einschätzen können, wie sie sich im Falle eines Krieges oder der Besatzung verhalten würden. Was im eigenen Land natürlich einfacher ist als, wenn man in der Fremde wohnt.

Das heißt, zuerst einmal sollte ein Land verhindern, an einem Krieg beteiligt zu werden.
Dann sollte ein Land verhindern, sich erobern zu lassen. Erreicht ein Krieg die Grenzen des eigenen Landes, aus Sicht der Übersterblichkeit unter der Zivilbevölkerung wäre dann ein Friedensschluss unter allen Umständen anzustreben. Das geht natürlich nur, wenn der sich verteidigende Staat trotz Krieg noch genügend Stärke besitzt, dem Gegner die Fortsetzung des Krieges sehr teuer und verlustreich zu machen; und ihm dadurch vorrechnen kann, besser einem Frieden jetzt zuzustimmen.

Wenn sich das Erobertwerden durch eigene Schwäche nicht verhindern lässt, dann sollte ein Land die Entstehung von Untergrundkämpfern, Partisanengruppen und Anschlägen aus dem Hinterhalt verhindern, wenn die Übersterblichkeit in der Zivilbevölkerung eine wichtige Größe ist. Die Nichtbeteiligung des Einzelnen an solchen Partisanenaktionen wird einen nicht davor bewahren, dass einen der nächstbeste Soldat auf Grund eines kleinen Merkmals, dass er sich in seiner heuristischen Erkennung selbst ausgedacht hat, für eben einen Untergrundkämpfer hält. Dann geht es ihm bei einer zufälligen, plötzlichen Begegnung nur noch darum, der erste zu sein, der schießt!
Lieber einen Zivilisten zu viel erschossen, als selbst im Grab liegen, lautet die unausgesprochene Devise. Findet man sich in so einem Land wieder, kann man nur noch eins tun, um halbwegs sicher zu sein: Besser jede Begegnung mit einem Soldaten, so gut es geht, vermeiden.

Auch ist der einzelne Soldat einer humboldtschen Bildungsnation nicht unbedingt so erzogen. Es könnte auch ein des Schreibens Unkundiger aus der Dritten Welt sein, der mit Glasperlen in diesen Krieg gelockt wurde. So waren die Soldaten der Engländer, Franzosen oder USA oft Schwarze oder Inder aus den Kolonien, die nichtmal die englische Sprache konnten. Keiner kann sagen, wem er als Feind gegenübersteht, und ob dieser Feind die Gesetze der Kriegsführung überhaupt kennt. Oder ob er die Anweisungen seiner Vorgesetzten verstanden hat. Im Krieg, und erst recht an der Front im Kampf, gelten keine Gesetze jenseits von: Besser der andere stirbt unnötig, als dass ich den Tod hier finden könnte!

An einem Aufstand in seiner besetzten Stadt mitzumachen, weil ein paar Untergrundkämpfer genügend Waffen schmuggeln konnten, mag aus Sicht des (National-) Stolzes geboten erscheinen, aber die Chance zu überleben wird damit drastisch verringert. Und zwar für alle, auch die, die sich nicht beteiligen.

Denn wer den Kampf nicht geteilt hat,der wird teilen die Niederlage.



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