• 18.04.2024

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Game Over?

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Gastautor: Judge Focker

Ja, was kommt jetzt? Inflation? Die Druckerpresse wird uns alle vernichten, oder schafft das Putler ganz alleine. Nein, inspiriert vom Doktörchen mit seinem Musikartikel, meine Reise durch die Welt der Telespiele. So hiess das früher. Danach Videospiele und neudeutsch Video Games.

Die Anfänge

Angefixt in früher Jugend begann ich mit keinen zehn Jahren irgendwo zwischen diesen portablen Geräten mit Segmentdisplay (so ähnlich hier), einer Pong Konsole, einem Philips Videopac G7000 bei einem Kumpel und ab und an beim Zuschauen in Spielhallen. Selber hatte ich keine Kohle für Spielautomaten. Geschweige denn, dass ich die offiziell betreten durfte. Aber beim Göckeles Maier schlich ich mich manchmal nach hinten und schaute den großen Jungs beim Donkey Kong zu.

Ende der 1970er konnten erstmals Arcade Klassiker mit dem legendären Atari VCS [1] nach Hause geholt werden. Ich hab das Ding nur im Quelle Katalog gesehen. Klassiker wie Space Invaders, Frogger, Pitfall oder Pac Man flimmerten so über den heimischen Fernseher.

Die Spiele waren wegen der limitierten Hardware in Spielmechanik, Grafik und Sound simpel und meist bockschwer. Die Herausforderung war klar: das Spiel schlagen. Umgekehrt sollte der Spieler in den Spielhallen möglichst viel Geld liegen lassen. Diese Grundlage wurde auch auf die Versionen für den Atari und Nachfolgern übertragen. Die Spiele waren hart. Manchmal brauchte man ewig viele Versuche, um überhaupt ins zweite Level zu kommen.

Die goldene Ära

Die 1980ern waren schlicht und ergreifend das Eldorado der Video Games. Ende der 1970er begann die Verfügbarkeit von handelsüblichen 8Bit Chips wie dem MOS6502, Z80 oder M6800. Wie zu Beginn des Automobilzeitalters kamen proprietäre Homecomputer in breiter Vielfalt auf den Markt. Der Langläufer Apple II, der ZX81, der Schneider CPC und viele mehr. Und schließlich die Krönung der 8Bit Schöpfung für Video Games: der Commodore C64[6]. Ich war jahrzehntelang Computerspieler. Deswegen fallen die Konsolen hier im Artikel weg. Die erste Nintendo Konsole kam zur selben Zeit raus.

Diese Maschinen waren unendliche Spielwiesen. Millionen von Nerds schauten, was mit den Dingern möglich ist. Wir hatten keine Anleitungen, kein YouTube, keine Kurse um herauszufinden, wie die Dinger im Kern funktionieren. Einfach machen. Viele Spiele waren One Man Shows und wurden in heimischen Kinderzimmern entwickelt. Und so nahmen die Videospiele langsam Form an. Die allermeisten heute noch existierenden Spiele Genres wurden damals geformt: Rollenspiele, Rennspiele, Jump'n'Runs, Beat'em Ups, Adventures und Simulatoren. 3D gab es maximal bei Elite. Es ist mir bis heute unbegreiflich wie David Braben das Ding auf einem ZX Spectrum entwickeln konnte.

Wir kauften uns die Happy Computer und das 64er Magazin um am Ball zu bleiben. Wir tippten seitenlange Hex Codes aus Zeitschriften ab. Einer las vor, der andere tippte die Zahlen rein. Wir dealten Disketten auf dem Schulhof und besaßen keine einzige Software legal. Wir spielten die Nachmittage durch bis in die Nacht. Und Multiplayer war damals noch exklusiv Couch Coop. Gespielt wurde meist nacheinander. In wenigen Spielen auch direkt mit- oder gegeneinander. Ansonsten schauten wir uns gegenseitig zu, gaben Tips und versuchten das Spiel zu lernen. Gaming war eine soziale Interaktion.

Überhaupt war das Spielerlebnis ganz anders als heute. Oft wußten wir nicht, was überhaupt zu tun ist. Logo, hatten ja keine Anleitung. Der ganze Prozess des Spielens war herauszufinden, das Spiel funktioniert, welche Taste was macht und wie man das Ding schlägt. Oder zumindest mal in den zweiten Level kommt. Der ganze Akt des Spielens war eine intellektuelle wie geschickliche Herausforderung. Die Frustgrenze kilometerweit höher als bei heutigen selbst schweren Spielen. Wenn ich manchmal Retro spiele, frage ich mich oft, wie wir das damals gut finden konnten.

Legendäre Spiele aus dieser 8Bit Ära gibt es ohne Ende[2][3]. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir, in beliebiger Reihenfolge: Elite, Paradroid, Wizball, Maniac Mansion, International Karate, Archon und mein erstes Rollenspiel The Bards Tale. Bei letzterem musste man von Hand auf Papier kartografieren um klarzukommen. Eine Karte im Spiel gab es nicht.

Ende der Goldenen Ära

Der Höhepunkt dieser Ära waren die 16Bit Maschinen. Die Gruppe B der Homecomputer. Die Vielfalt der proprietären Maschinen endete und die Hersteller konsolidierten sich. Es gab im Wesentlichen nur noch Commodore, Atari, Apple und den IBM PC. Letztere beide damals nicht mehr oder noch nicht konkurrenzfähig als Spielemaschinen.

Legendär war der Commodore Amiga[7]. Seiner Zeit um mindestens 5 Jahre voraus und, unter anderem, die absolute Spielmaschine. Die Konkurrenz war die Atari ST Serie, die aber in keiner einzelnen Maschine alle Leistungsmerkmale des Amiga abbilden konnte. Spielekonsolen erreichten erst 1989 mit dem Sega Megadrive ähnliche Leistungswerte.

Die meisten Spiele für diese Maschinen waren wie 8Bit nur schneller, schöner, bunter. Es gab aber auch Fortschritte: 3D Games machten erste Schritte und es gab einige anständige Flugsimulatoren, z.B. F16 Combat Pilot. Die ersten Echtzeitstrategiespiele wie Populous vom legendären Peter Molyneux, Battle Isle oder Dune. Und Cinemaware brachte eine Reihe von Spielen im Filmstil. Wo die Erzählung aus Sicht des Protagonisten im Zentrum stand. Neudeutsch: die Immersion erhöhte.

Wie auch für den 64er ist die Liste der guten Amiga Spiele gefühlt endlos. Einen Amiga Emulator habe ich bis heute am Laufen [8]. Legendäre Spiele sind, aus dem Kopf ohne Reihenfolge: Defender of the Crown, Marble Madness, Populous, Kick Off, Speedball, Xenon 2, Blood Money, Rainbow Islands, Turrican, Giana Sisters, Pirates, Battle Isle, Pinball Dreams und viele mehr [4].

Aber Atari ST und Amiga waren Relikte ihrer Zeit, 'falling stars'. Gaming verlagerte sich ab Anfang der 1990er zunehmend auf Konsolen und auf einen neuen aufsteigenden Stern.

Die Industrialisierung

Industrialisierung hört sich negativ an, ist aber nicht so gemeint. Ab Anfang der 1990er begann die Zeit des PC als Spielemaschine. Auch die Games machten einen riesigen Schritt. Die Zeiten der One-Man-Shows in der Spieleentwicklung waren endgültig vorbei. Ich erinnere mich, wie ich die CD von Command & Conquer eingelegte und die Handlung des Spiels zum Großteil in Videosequenzen erzählt wurde. Mitte der 1990er überholte der Videospielmarkt den Markt für Kinofilme.

Technologisch entstanden 3D Spiele für verschiedene Genres. Ultima Underworld lies den Spieler erstmals, ohne fixes Raster, frei in einer 3D Welt bewegen. Wing Commander setzte erzählerisch, in Grafik und Sound sowie spielmechanisch neue Maßstäbe. Ein 3D Action Weltraum Flugsimulator. Wolfenstein 3D erweckte den First Person Shooter (FPS) zum Leben.

Und dann kam der Urvater aller FPS. Drei Versuche brauchte ich, um mit meinem Akkustikmodem das Spiel vom FTP Server meiner lokalen Uni zu ziehen: Doom von ID Software. Inklusive dem ersten wirklich brauchbaren Online Multiplayer.

Der PC hatte sich spätestens damit als Spielemaschine etabliert. Schluss mit cyan- und magentafarbenen Adventures begleitet von nervigem Gepiepse als Soundersatz. Vorbei die Zeiten von Leisure Suite Larry, Kings Quest und Space Quest, für die ich meinen Kumpel früher immer mitleidig bedauert hatte.

ID Software legte nach: weitere Doom Titel und Quake. Die Konkurrenz schlief nicht. Your ass, your face, what's the difference? oder What are you waiting for? Christmas? Genau, Duke Nukem. Und das Genre der FPS wurde verfeinert. Erstmals gab es mehr oder weniger ernsthaft Gegner KI z.B. in Unreal. Die Kerntechnologie von Unreal wird bis heute als Unreal Engine weiterentwickelt und ist die Grundlage vieler aktueller Games.

Die Online Multiplayer Modi erweiterten sich. Am Uni Institut spielten wir auf RS/6000 Workstations Quakes Capture the flag im Netzwerk. Die 3D Spiele spannten sich weiter auf. Mit dem legendäre Gordon Freeman in Half Life wurde die gesamte Story erstmals aus der Spielersicht erlebt. Auch geskriptete Szenen. Die Spiele näherten sich gespielten Filmplots an. Kurz danach kam mit Max Payne ein filmreifes Skript in einem Spiel. 2D Spiele waren quasi tot.

Ende der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre kam dann nicht mehr viel Neues. Ausgehend von Rainbow Six entwickelten sich die Taktik FPS. Mit Return to Castle Wolfenstein und dem Nachfolger Enemy Territory gab es den klassenbasierten auftragsorientierten Militärshooter mit großen Teams. Weitergeführt mit Battlefield 1942 und seinen Nachfolgern. Und mit World of Warcraft entstanden 2005 die Massive Multiplayer Oriented Games (MMO).

Damit endet für mich eigentlich die innovative Zeit der Spieleentwicklung.

Massenware

Massenware paßt auf mobile Gaming. Gemeint ist hier im PC Umfeld allerdings, dass quasi ab Anfang der 2000er für mich nichts relevant neues mehr kam. Der Vollständigkeithalber kann man noch die Battle Royals in den 2010ern und aktuell die Extraction Games nennen.

Hängengeblieben bin ich hauptsächlich auf Battlefield. Definitiv mein Lieblingsgenre. Weit mehr als 5000 Stunden Lebenszeit habe ich da versenkt. Wie viel genau, weiß ich nicht. Variation im Gaming hatte ich nicht mehr. Die meisten modernen FPS langweilen mich. Selbst herausragende und ausgezeichnete Spiele wie God of War oder Days Gone habe ich abgebrochen. Ich stehe seit je her mehr auf Spielmechanik als auf Effekte.

Wäre da nicht noch das kleine gallische Dorf aus Kyoto, das sich mutig und erfolgreich gegen die erdrückende monetäre Übermacht von Sony und Microsoft stemmt und der letzte Innovationstreiber für Videospiele ist: Nintendo.

Eigentlich um meine Kinder an Videospiele ranzuführen und ihnen den Unterschied zu Mobile Games zu zeigen, kaufte ich 2015 eine Wii U. Obwohl in Leistung und Grafik der Konkurrenz unterlegen, hat mir Nintendo die Lust an Video Games wieder zurückgegeben. Es war und ist eine komplett andere Welt im Vergleich zu PC, Playstation und XBOX.

Aber das ist eine andere Story und hat hier keinen Platz mehr. Als Abschluss ein Zitat des legendäre Saturo Iwata, CEO von Nintendo 2002-2015. Der als CEO noch nebenbei kurz den Kern von Super Smash Bros für den Game Cube programmiert hat.

"On my buisness card, I am a coorperate CEO. In my mind, I am a game developer. In my heart, I am a gamer"[9].

Linkliste

[1] YT 28c3: The Atari 2600 Video Computer System: The Ultimate Talk
watch?v=qvpwf50a48E&t=508s

[2] https://www.lemon64.com/games/voteslist.php

[3] https://www.retrogamer.net/top
10/top-ten-commodore-64-games/

[4] https://www.lemonamiga.com/games/voteslist.php

[5] http://amr.abime.net/amr
amigapowertop100.php

[6] _25c3: The Ultimate Commodore 64 Talk

watch?v=ZsRRCnque2E

[7] Amiga Story (Zweiteiler)
watch?v=ws3DJF7MbMU

[8] FS-UAE Arcade Screenshot

[9] https://edition.cnn.com/2015/07/13/tech/nintendo-ceo-satoru-iwata-legacy/index.html

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