Wenn die Frau drogensüchtig wird – Teil 1
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Gastautor: Strandläufer
Die Sonne berührt gerade das Meer und ich genieße dieses für mich immer wieder faszinierende Naturschauspiel eines tropischen Sonnenuntergangs von der Bambusterrasse meines erst vor wenigen Stunden angemieteten Strandbungalows. Vor mir eine Tasse mit Instantkaffee und thailändische Billigzigaretten. Und wie ich gerade feststellen muss, ein Aschenbecher, der nicht für den Terrasseneinsatz geeignet ist. Ich hatte das Rauchen schon lange aufgehört, doch heute brauchte ich eine Zigarette. Während ich die Asche vom T-Shirt schüttle wehen aus der Ferne vereinzelt Musikfetzen vom nahegelegenen Dorf herüber. Tja, die Thais, die finden immer einen Grund zu feiern. Ein kleiner Lotteriegewinn, gerade genug für eine Moped-Tankfüllung, oder die Ankunft eines neuen Smartphones der Marke „unbekannter chinesischer Hersteller“ in der Nachbarschaft. Auch das morgendliche Dahinscheiden der geliebten Großmutter ist ein willkommener Anlass, um abends in großer Runde zu feiern. Hauptsache Sanook, bei thailändischem Reisschnaps, jeder Menge Bier und ohrenbetäubender Musik, garniert mit jämmerlichem Karaoke-Gejaule. Thailand ist ein schönes Land, aber nicht mehr für mich. Ich habe es satt.
Tief atme ich nach einem heißen Tag die laue Strandluft ein, während der letzte Sonnenstrahl am Horizont im Meer verschwindet und der Lärm der Zivilisation allmählich dem nächtlichen Konzert der tropischen Natur weicht. Nun hat auch der kräftige Seewind etwas nachgelassen. Ruhe kehrt ein, auch in mir. Das tut gut.
Es ist Hochsaison in Thailand, eigentlich, denn bereits vor Monaten hat Corona den Tourismus völlig zum Erliegen gebracht. Für mich ein Glück, sonst wären die Strandbungalows hier auf Monate ausgebucht gewesen. Vor knapp 20 Jahren reiste ich das erste Mal nach Thailand, nachdem meine Ehe in Deutschland in die Brüche gegangen war. Meine Exfrau war mit unseren beiden Kindern im Schlepptau nach überlappender Partnerschaft zu ihrem neuen Versorger übergelaufen. Ein Jahr ging das Verhältnis mit dem Neuen schon, wie ich später von unserem einst gemeinsamen Umfeld hören musste. Ich war wohl der Letzte, der davon erfuhr, am Tag der Deutschen Einheit, Anfang Oktober, beim Frühstück, nur wenige Tage, bevor sie überraschend auszog, während ich auf Geschäftsreise war. Wenigstens nahm sie ihren und meinen ganzen Plunder mit, so konnte ich mich nach meinem Geschmack ganz neu einrichten. Was ich nach der verlorenen Scheidungsschlacht dringend brauchte, war Ablenkung, Entspannung und vielleicht wieder etwas Freude. Ich sehe mich noch heute in meinem Büro sitzen, vor mir eine Schreibtischunterlage mit dem Motiv einer Weltkarte. Mit geschlossenen Augen ließ ich meinen Zeigefinger kreisend auf die Karte nieder - und landete auf Thailand. Thailand? Ich war zwar früher schon in Hong Kong, auf der Insel Lang Kawi in Malaysia und in Singapur, aber Thailand war für mich noch unbekanntes Terrain. Gut, warum nicht nach Thailand?
Die Flugzeugtüre wurde geöffnet und sofort drang ein Schwall schwüler tropischer Luft in die Kabine, mit einem ganz speziellen, aber undefinierbaren Geruch, den ich seitdem als typisch für dieses Land bezeichne. Interessant, dass viele Regionen ihren typischen Geruch haben, auch Deutschland, wo man ihn aber erst nach längerer Abwesenheit wahrnimmt. Ich war auf dem Flughafen Don Mueang in Bangkok gelandet. Während es in den Ankunftshallen noch einigermaßen klimatisiert war, erschlug mich draußen die feuchtheiße Schwüle. Der Schweiß lief in Strömen aus jeder Pore, die Kleidung klebte innerhalb von Sekunden am ganzen Leib. Eilig setzte ich mich in ein Taxi und stellte zufrieden fest, dass der Fahrer den Innenraum bereits auf Kühlschranktemperatur gebracht hatte. Nun ging es auf die letzte Etappe meiner langen Reise, ins Epizentrum des Nachtlebens, nach Pattaya. Ich hatte für zwei Wochen eine Penthouse-Suite im, wie ich feststellen musste, schon etwas in die Jahre gekommenen Eastiny Inn in der Soi 8 gebucht, mit Meerblick und nur eine Fußminute vom Strand entfernt. Die Fotos im Internet hatten mit der Realität jedenfalls nicht viel zu tun und mussten schon vor langer Zeit gemacht worden sein, als das Hotel noch in vollem Glanz erstrahlte. Es war bereits später Nachmittag, die ersten Neonreklamen der Bars sprangen flackernd an und wummernde Bässe aus den umliegenden Bars ließen die Luft in meiner Suite vibrieren. Höchste Zeit, mich frisch zu machen und die Gegend zu erkunden.
Wie in den Tropen üblich dämmerte es bereits um 18 Uhr und überraschend schnell wurde es Nacht. Ich schlenderte durch die von unzähligen Bars gesäumte Soi 7 während ich versuchte, die vielen neuen Eindrücke, die aus allen Richtungen auf meine Sinne einströmten, aufzunehmen und zu verarbeiten. Es wimmelte nur so auf den Straßen, darunter Kinder, die aufdringlich Rosen verkauften und alle paar Meter kleine mobile Verkaufsstände, bei denen es von der Sonnenbrille bis zum Bikini und sogar Dessous zu kaufen gab, aber auch mit einer bunten Vielfalt an kulinarischen Köstlichkeiten im Angebot, die jedoch oft wenig appetitlich nach Käfern oder Maden aussahen. Aber es gab auch verschiedene Suppen ohne unbekanntes Getier und gegrillte Fleischspieße. Nahezu jeder Geschmack wurde bedient. Aus den Bars schallte mir von ungewöhnlich hübschen Frauen ein freundliches „Hello Welcome“ entgegen, gefolgt von der Aufforderung, doch zu ihnen zu kommen. Es herrschte ausgelassene Stimmung, das musste wohl das berühmte Sanook sein, doch wirkte das bunte Treiben irgendwie surreal, wie nicht von dieser Welt. Besonders irritiert war ich von der offensiven, aber zugleich devoten Art der Frauen. Ein erster Widerspruch von vielen weiteren. Heute weiß ich, Thailand ist das Land der Widersprüche. Ich habe fürs Erste genug gesehen, dachte ich mir, und machte mich über die nächste Quergasse auf den Rückweg zu meinem Hotel.
Es war ein langer Tag, ich spürte nun deutlich die Auswirkungen der langen Reise, des Klimawechsels und der Zeitumstellung. Und dann sah ich sie, meine Traumfrau, das spürte ich sofort. Direkt gegenüber von meinem Hotel in der „Best Bar“ stand sie an einer Art Geländer, schaute mich aus ihrer leicht erhöhten Position an und strahlte dabei mit dem umwerfendsten Lächeln, das ich jemals gesehen hatte. Diese Szene dauerte nur Sekunden, aber mir kam es vor wie eine Ewigkeit. Sie holte mich aus meiner Zeitschleife, indem sie mich ansprach und auf Englisch höflich fragte, ob ich etwas trinken möchte? Nichts lieber als das, dachte ich mir, während mein Bauch mich warnte, nur ja keine Dummheit zu machen. Ach was, grummelte ich zurück, ich bin vasektomiert und Kondome in deutscher Premiumqualität sind auch im Gepäck, was soll da schon passieren, außer etwas Spaß und vielleicht ein wenig wohltuende Bettakrobatik mit einer wunderhübschen Frau, die mich zu Hause nicht mal mit dem Arsch anschauen würde.
Nachdem ich mich mit ihr an die Bar gesetzt hatte, orderte sie den von mir gewünschten Drink, tupfte mir mit einem gekühlten feuchten Tuch liebevoll den Schweiß von der Stirn und strahlte mich weiter unaufhörlich an mit ihrem umwerfenden Lächeln. Welch Balsam für meine vom Scheidungskrieg geschundene Seele.
Sie stellte sich vor, Noi, 25 Jahre jung, ein 6-jähriges Kind aus ihrer Ehe mit einem Thai, die erst vor Kurzem geschieden wurde, nachdem ihr Exmann ständig fremdgegangen war. Wir waren sozusagen Leidensgenossen. Ich war 42, ein Altersunterschied, der mir nicht zu groß erschien. Bei meinem Rundgang durch die Sois hatte ich einige alte Opas gesehen, die sich anstatt am Rollator an jungen Frauen festhielten, die ihre Urenkelinnen hätten sein können. Da ist ein Altersunterschied von 17 Jahren doch völlig in Ordnung. Mein Bauch grummelte zwar schon wieder, doch ich beschloss, ihn fortan zu ignorieren.
Fortsetzung folgt…
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