• 04.10.2024

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Vor 9 Uhr will ich nicht gestört werden

kaffee

» Artikel vom

Das Leben eines Unterhaltsprellers erfordert mitunter größte Sorgfalt. Das größte Problem besteht darin, auf gar keinen Fall viel Geld zu verdienen. Man muss schon verdammt aufpassen, dass sich das Einkommen nicht verdrei- oder gar vervierfacht. Nichts ist schlimmer, als durch einen blöden Zufall ein anständiger Unterhaltszahler zu werden. Noch dümmer wäre es, einer abgehalfterten Ehefrau möglicherweise Unterhalt in den Rachen werfen zu müssen. Das wäre eine echte Schmach für mich. Aber diese Gefahr besteht bei mir zum Glück nicht. Niemand kommt auf die Idee, mir ein anständiges Gehalt zu bieten. Geld versaut das Leben und weckt die Gier. Früher war ich eine geldgeile Sau, aber heute nicht mehr. Zum Glück habe ich diese Phase des Lebens gut überstanden und bin wieder ein normaler Mann geworden.

Und somit gehe ich jeden Morgen gemütlich und entspannt an. Zwar klingelt der Wecker pünktlich um 06.50 Uhr, aber ich zeige keinen Ehrgeiz frühmorgens an meinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Um Himmelswillen, das geht gar nicht. So sitze ich morgens bei einem Kaffee und einem Glas Saft an meinem Tisch und schaue mir die Nachrichten auf n-tv und N24 an. Das dauert mindestens bis 8 Uhr. Dann gehe ich gemütlich duschen und verwöhne danach meinen edlen Körper mit einer sanften Lotion. Nebenbei höre ich meine Lieblingsmusik und singe voller Zufriedenheit stets einige Strophen mit. Gegen 08.30 Uhr wecke ich meine Hündin, die noch faul in ihr Deckchen eingerollt ist und drücke sie liebevoll. Dann machen wir uns auf den Weg und spazieren mehr als eine halbe Stunde durch eine schöne Parkanlage. Der Job beginnt so frühestens um 9 Uhr, meistens wird es 9.30 Uhr. Früher geht’s wirklich nicht. Erstens bin ich von meinen vielen Trennungen und Scheidungen traumatisiert und zweitens müssen übereifrige Männer stets zusätzliche Aufgaben übernehmen. Nein, dazu habe ich keine Lust. Ich möchte den Tag locker und easy beginnen und mich nicht stressen lassen. In den letzten Jahren habe ich bemerkt, dass ich unter hoher Arbeitsbelastung sofort Anzeichen eines Burnouts bekomme, was zu langen Ausfallzeiten führen kann. Aus dieser Erfahrung heraus muss ich meine Arbeitskraft geschickt einteilen und für ausreichend viele Erholungsphasen sorgen.

Nun steht in meinem Büro ein Sofa und das nicht ohne Grund. Nach 2 Stunden am Schreibtisch übermannt mich die Müdigkeit und da ist ein kleines Nickerchen recht erholsam. Manchmal dauert dieses Nickerchen zwar bis zum Nachmittag, aber wenn der Körper seinen Schlaf braucht, dann muss er ihn auch bekommen. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass mein Gehalt nicht für die Erfüllung meiner Unterhaltsverpflichtungen reicht, aber ich kann mich nicht um alles kümmern. Immerhin muss ich meine Wäsche selbst waschen, den Hund versorgen und einkaufen gehen. Da bleibt keine Zeit an meine Exen zu denken oder gar an Unterhalt. Das kriege ich beim besten Willen nicht hin. In meinem Kopf ist nicht Platz für alles und jeden.

Fast täglich sehe ich einen Polizeiwagen in meiner Strasse. Wollen die Polizisten zu mir oder zu echten Kriminellen? Ich hoffe natürlich, dass die Polizei nicht aus Übereifer meine Tür eintritt, wenn ich nicht zu Hause bin. Aber im Grunde ist mir auch das egal. Schließlich gehört die Tür nicht mir, sondern dem Eigentümer. Und so vergehen viele Tage ohne weitere Höhepunkte, außer mich erreicht mal wieder ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Köln, die wieder irgendwelche Unterlagen haben will. Da mein traumatisiertes Gedächtnis mitunter einige Aussetzer hat, freue ich mich stets über die freundliche Erinnerung. Ich finde es nett, dass die Staatsanwaltschaft nichts vergisst. Mein Gedächtnis ist eben nicht mehr so gut, da geht nichts über ein nettes Schreiben einer übermotovierten Staatsanwältin. Ich freue mich über jeden Brief. Schließlich bekomme ich seit Jahren keine Postkarten mit netten Worten.

Ein besonderes Highlight ist immer noch meine seit über zwei Jahren währende Scheidung von meiner Liebsten. Meine Einstellung zu dieser Thematik ist bekannt, Scheidungen sind nicht mehr so spannend für mich. Ich muss mein Hab und Gut nicht mehr verteidigen, weil mir nichts mehr gehört. Das macht ein Scheidungsverfahren zu einer spaßigen Veranstaltung, gerade wenn gegnerischer Anwalt, Richterin und die liebste Ehefrau im völligen Einklang mit grösstem Eifer nach Geld jagen, was nicht vorhanden ist. Man vermutet einige Geheimkonten mit beträchtlichen Summen, aber wie es das Wort schon sagt, das ist geheim. Ich kann Geheimnisse natürlich für mich behalten, dennoch sage ich bei Gericht stets und immer die Wahrheit auf konkrete Fragen. Nein, meine liebe Richterin, ich habe leider keine Kohle. Tut mir wirklich leid, sehr leid, ausserordentlich leid. Mein unverwüstliches Lächeln peitscht die Gegenseite immer etwas hoch, aber wer daran glaubt von mir Geld zu bekommen, muss einige Defekte im Hirn haben. Manchmal gieße ich auch etwas Öl ins Feuer, wenn ich Gerichtstermine aus dem Ausland absagen muss. Schließlich bin ich bei Weiterbildungen in Amerika oder Asien, um vielleicht in einigen Jahren einen Top-Job zu bekommen. Meine Begründungen sind einleuchtend, aber ich kann nicht immer erwarten, dass mir alles geglaubt wird. Die erste Scheidungsrichterin hat im aktuellen Verfahren das Handtuch geworfen und eine neue Richterin darf nun ran.

Noch bin ich nicht geschieden und kann somit vorerst kein weiteres Mal heiraten. Aber das wird schon noch klappen und mit Sicherheit wird es eine 4. Ehefrau geben. Dann bin ich auf Augenhöhe mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

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