• 19.03.2024

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Tomatenkönige

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Rot, prall, lecker, saftig? Tomaten sind mit riesigem Abstand das am häufigsten verzehrte Gemüse in Deutschland. Fast 30 Kilo werden pro Kopf konsumiert. Der angeblich so deutsche Kohl liegt dagegen bei gerade mal 5 kg Jahresverbrauch. Gurken und Zwiebeln liegen auf ähnlich geringem Niveau. Die aus Südamerika stammenden Tomaten sind die wahren Könige. Deutschland ist schon seit vielen Jahrzehnten ein Tomatenland, kein Kohlland und immer weniger Kartoffelland. Man entkommt der roten Flut kaum. Pizza, Ketchup und Millionen anderer Soßen, Salate, Tomatenmark, getrocknete Tomaten... Vor allem Tomatensoße ist Grundlage für sehr viele Gerichte. Sie passt zu allem und schmeckt jedem.

Tomatenland heißt nicht, dass sie auch in Deutschland angebaut werden. 96 % davon im Wert von 1,2 Milliarden Euro werden importiert, nur 4 % der hier konsumierten Tomaten stammen auch aus Deutschland, so wenig wie bei keinem anderen beliebten Gemüse. Die wenigen deutschen Tomaten stammen fast alle aus dem Gewächshaus, der kommerzielle Freilandanbau ist so klein, dass er in der Statistik nicht auftaucht. Der deutsche Käufergeschmack ist entsprechend auf Gewächshausware geeicht. Verarbeitete Ware in Soßen wie Ketchup, Tomatenmark und Dosenware sowie als Zutat zu Fertigprodukten stammt meist aus China, Frischware aus den Niederlanden und Spanien. Hobbyanbau bringt bestenfalls 5 kg Ernte pro Quadratmeter, Intensivanbau (Sorten, Düngung, Pflanzenschutz, Wasserzufuhr optimiert) im Freiland schafft knapp 10 kg, im niederländischen Gewächshaus sind es dagegen 50 kg im Jahr. In China baut man sie nur für den weltweiten Export an, in der chinesischen Küche haben Tomaten keinen Eingang gefunden, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Küchen der Welt. Zu Konzentrat reduziert und im Tank verschifft sind sie aus China so billig, dass chinesisches Tomatenmark selbst in Afrika hohe Marktanteile erreicht und den dortigen Eigenanbau kommerziell uninteressant gemacht hat.

Neben Salat zählen Tomaten auch zu den wenigen Gemüsesorten, die in klimatisierten Containern unter künstlichem Licht im Norden von Alaska, in Antarktis-Stationen und in einem Versuch sogar auf der internationalen Raumstation gezogen werden. Kaum ein anderes Gemüse weckt mehr Begehrlichkeiten, es auch unter widrigen Bedingungen wachsen zu lassen, um frische Früchte zu bekommen.

Gehandelte Tomaten enthalten leider einen bunten Strauß von Pflanzenschutzmittelrückständen. Das Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg untersucht das jährlich und stellte unter zuletzt in 118 Tomatenproben 55 verschiedene derartige Stoffe fest, am häufigsten das Fungizid Fluopyram. Auch einige Höchstgehaltüberschreitungen kamen vor. Tomatenmark schnitt nur wenig positiver ab, geschälte Tomaten in Dosen etwas besser. Die wenigen deutschen Tomaten waren übrigens kaum belastet. Vor allem gehandelte Frischtomaten haben leider erwiesen schwache Aromaprofile. Unter Folie oder im Gewächshaus entwickeln sie von vornherein wenig Aroma, die gnadenlose Ertragsmaximierung aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks sorgt sogar bei den wenigen Freilandtomaten für flache Aromen. Die Herkunft hilft dabei nicht, auch in Spanien findet der Frischwareanbau weitgehend unter Folie statt. Um El Ejido in Andalusien liegen 300 Quadratkilometer unter Folie, das berüchtigte „Meer aus Plastik“. Vorher war die Gegend so verlassen, dass hier Sergio Leone den Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ drehte. Am besten beim Aroma schneiden noch Produktformen wie pürierte Tomaten ab. Dafür lässt man die Früchte wenigstens richtig ausreifen, bevor sie in die Dose wandern. Abgesehen von der Pestizidbelastung gelten Tomaten als sehr gesund. Wer von den Männern noch Frauen beglücken will, kann sich über eine Potenzsteigerung durch Tomaten freuen. Das enthaltene Lycopin hat in medizinischen Studien bewiesen, vor Prostatakrebs zu schützen, männliche Hormone ins Lot zu bringen, die Spermienqualität zu erhöhen.

Mein Selbstversorgungsgrad mit Tomaten liegt bei 100 %, davon stammen 95 % aus dem Freiland. Von Ende Juni bis Mitte November haben wir Frischware, in der übrigen Zeit haltbar gemachte Tomaten. Faszinierend ist, dass trotz unseres hohen Verbrauchs (auch bei uns ist sie Nr. 1) nur wenig Fläche im Garten von Tomaten belegt ist, etwa 15 Quadratmeter. Darauf wachsen viele Sorten und Typen, Fleischtomaten, Flaschentomaten, Kirschtomaten, Salattomaten. Reif sind sie rot, orange, rosa, gelb, grün, violettschwarz, manche panaschiert. Die Spanne reicht von wenigen Gramm schweren, sehr süßen Johannisbeertomaten bis zu 1 kg - Bomben von Fleischtomatensorten wie „Knockout“. Unsere Tomaten wachsen ungeschützt im Freiland, ohne Dach. Das ist der wichtigste Punkt, denn jede Folie über den Stöcken blockiert wichtige UV-Strahlungsanteile der Sonne und sorgt mit anderen Faktoren zusammen zuverlässig für weniger Aroma. Die weiteren Faktoren sind geringere Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, mehr Hitzestress während der Reifezeit. Aufgrund des trockenheißen Sommerwetters und robuster Sorten ist die Hauptkrankheit Braunfäule kein so großes Thema mehr. Früher war das eine Geißel, die vielen Hobbygärtnern den Anbau verleidet hat und die Tomatenpflanzen unter ein schützendes Dach brachte. Die meisten, aber nicht alle Krankheiten werden mit dem veränderten Sommerwetter schlimmer, Braunfäule nicht.

Die Verarbeitung ist einfach. Was nicht frisch gegessen wird, wird zu Soße gekocht und in 0,5 Liter Standard-Glasflaschen mit breiter Öffnung und Twist off Verschluss abgefüllt. In dieser Form sind sie sehr lange haltbar, sodass wir auch ein schlechteres Jahr mit geringerer Ernte überstehen. Einen Teil davon kochen wir stärker ein, das wird ein Konzentrat. Oder wird in Mischung mit anderem Gemüse und Gewürz zu einem „Sugo“. Was auch fürs Einkochen zu viel ist, wird in einem großen Trockner getrocknet. Dafür eigenen sich großfrüchtige Sorten. Diese Trockentomaten sind endlos haltbar und lassen sich dann mit Gewürzen und einem Säuerungsmittel in Öl einlegen. Das Ergebnis ist absolut lecker. Der Vorteil all dieser Produkte liegt nicht nur im Anbau mit voller Sonne und guten Sorten, sondern auch in der Verwendung jeder einzelnen Tomate im absolut optimalen Reifezustand bei konsequenter Vermeidung schlechter Früchte, überreifem Matsch, angegammelter Stellen.

In den letzten Jahren kamen einige gute und wenig krankheitsanfällige Sorten auf den Markt. Dank dieser Entwicklung bin ich dazu übergegangen, in einem Außengarten extensiv Tomaten zu setzen, ohne Bewässerung, ohne Pflege. Das funktioniert ganz gut. Die Erträge sind zwar niedrig, aber es wird geliefert. In einem kleinen Hausgarten geht es auch: Jeder kann Tomaten anbauen. Es lohnt sich. Sie sind auch sehr gut geeignet für eine Kübelhaltung, bereits ein Balkon reicht. Bekannte haben nur Kübeltomaten, sie stehen an der Südwand des Hauses unter einem Dachvorsprung, wo sie zwar direkte Sonne bekommen, aber vor Regen geschützt sind. Sollte es mal von Süden her regnen, hängen sie die Tomaten kurzfristig mit Folie ab. Ein anderer Bekannter hält sich Tomatenpflanzen im Kübel rund um eine Terrasse an Schnüren, am Ende des Sommers hat er eine drei Meter hohe Wand aus 25 Sorten Tomaten. Die Schnüre bindet er an horizontalen Holzlatten an, die mit zwei Stangen am Haus auf Höhe gehalten werden. Wenn sie bewässert und gut versorgt sind und man sie lässt, können viele Sorten sehr hoch werden. In den Gewächshäusern wählt man absichtlich solche Sorten und hängt sie immer wieder ab, um die Ernte über lange Zeiträume immer weiter zu ermöglichen.

Damit steht der Eigenanbau auch Leuten ohne wirklichen Garten offen, ein Randstreifen oder auch nur ein gut ausgerichteter Balkon reichen. Am leichtesten im Kübel gelingen Kirschtomaten, kleine Früchte, große Trauben. Ihre Typen- und Geschmacksvielfalt ist sehr groß, positive Eigenschaften wie Platzfestigkeit und intensiver Geschmack sind häufiger, es gibt eine Reihe sehr robuster Sorten. Es sind weniger Soßen- und Verarbeitungstomaten, geeignet sind sie zum Naschen, in Salaten, roh in Gerichten.

Bei der Sortenwahl sollte man sich nicht von Bessere-Welt-Phantasien oder unrealistischen Wünschen leiten lassen. Vor einigen Jahren hat die bessere, politisch korrekte Welt auch bei Tomaten angefangen. In Landlust-Heftchen wird zum Beispiel die Sorte „Sunviva“ aufs Podest gehoben. Wenn es besonders pseudoamerikanisch klingt, stammt das Produkt natürlich aus Deutschland (kaum ein Land verhunzt und verleugnet seine Sprache so sehr zugunsten schwachsinniger Amerikanismen wie Deutschland). So auch diese Tomatensorte, sie wurde von Culinaris (eine Kleinfirma unbekannter Rechtsform) und der Uni Göttingen gezüchtet und mit einer „Open-Source-Lizenz“ versehen. Dieses Schlagwort passt eigentlich nicht auf Pflanzen, klingt aber hip und gut. Über die damit verbundenen rechtlichen Fantasien und die nicht existente Abgrenzung zu den 100.000 Sorten, deren Sortenschutz nie bestand oder abgelaufen ist, will ich nicht referieren, aber über die Tomate, die ich natürlich ausprobiert habe: Sunviva ist gelb, klein, unspektakulär, das Aroma ist durchschnittlich. Ihren behaupteten Vorteil der Braunfäulerobustheit konnte ich nicht beobachten, da gibt es viele andere Sorten, die das weit besser schaffen. Hauptproblem ist, dass man nichts oder nur Matsch erntet, denn Sunviva zeigte sich extrem platzanfällig und setzte auch nie viel an. Was geerntet wird, ist dürftig, sie ist eine Naschtomate fürs Hobby und benötigt streng kontrollierte Wasserzufuhr samt durchlässigem Boden, damit nicht alles bei Reife oder schon vorher platzt. So wie politische Haltung bei der Tomatenzucht.

Tomaten sind auch die Gemüsesorte, für die die meisten Hobbyvermehrer, Tausch- und Kleinvermarkter existieren. Allein in Deutschland sind mir mindestens 30 Leute oder Kleinfirmen bekannt, die teils hunderte Sorten anbieten, selbst vermehren, dokumentieren, verbreiten. Die Szene ist sehr lebendig. Wer Saatgut will, wird erschlagen von einer Hobbyvermehrerszene. Die Deutschen haben meistens weder Lust, noch Möglichkeit und Kenntnisse über einen eigenen Gemüsegarten behalten, aber bei Tomaten und auch Peperoni brummt der Bär. Selbst in kleinen Orten gibt es fast immer jemand, der auch selbst gezogene Jungpflanzen anbietet. Letztes Jahr hat sogar erstmalig Aldi eine Schale mit Jungpflanzen mehrerer Spezialsorten angeboten. Pflanzen von Standardsorten gibt‘s in allen Baumärkten, Gartenmärkten, oft auch Blumenläden, sogar bei Resteverwertern, Bioläden, Marktständen und wie gesagt Privatleuten.

Wer ein bisschen gärteln will, sollte mit Tomaten anfangen. Wenig Einsatz, leichte Kultur, wohlschmeckende Ergebnisse. Und selbst wenn es schiefgeht und die Dinger faulen, sind sie nützlich. Der Wurf mit faulen Tomaten ist ein Klassiker, vorzugsweise auf Personen, die eben das sind: Faule Tomaten. So kommt zusammen, was zusammengehört.

P.

Weiterführender Link: TrennungsFAQ

Ratsuchende Väter finden im TrennungsFAQ-Forum konkrete Hilfe

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