• 19.03.2024

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Mein erstes Auto

r4

» Artikel vom

Gastautor: A.M.

Nach einer traumatischen Kindheit und einem Umzug in ein anderes Bundesland fand ich zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie Ruhe und Halt. Obwohl ich kaum ein Wort von der Sprache der Einheimischen (Bayern) verstand. Ich hätte genauso gut in China abgesetzt werden können, da hätte ich auch nichts verstanden. Irgendwie gings dann doch mit der Zeit. Mein damaliger Banknachbar (neben dem übrigens keiner sitzen wollte, deswegen war der Platz frei) hat mich irgendwann mal zum örtlichen Schwimmverein mitgenommen. Dort traf ich den Trainer, der mir eine Ausbildung als Elektroinstallateur vermittelte. 

Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Danke, Alfred („ich zahl’ alles!“).
Während dieser Ausbildung wurde, habe ich Führerschein gemacht, was damals für mich undenkbar gewesen ist, wurde wahr. Einer der Gesellen verkaufte mir sein Auto. Einen Renault 4, mein erstes Auto. Nun war es so, dass das Auto 6 Monate vor der Führerscheinprüfung da war. Zum Glück war der Trainer gleichzeitig Hausmeister an einer grossen Schule, so konnte ich dort mein Fahrzeug abstellen und gleichzeitig auf dem Gelände rumfahren, bis der Kühler kochte. Der R4 war, nennen wir es, einfach. Kaum Innenverkleidung, gerade mal ein bespannter Himmel. Die Türscharniere bestanden aus 2 dicken Leder-Riemen, die Sitze waren leicht bespannte, festere Campingsitze, Einzelsitze nebeneinander hinten.

Das Teil hatte 24 oder 27PS, ich weiss es nicht mehr genau. Die Räder waren sehr schmal und im Sommer quietschte es IMMER, egal wie schnell man durch die Kurven gefahren ist. Auch war die Federung sehr gewöhnungsbedürftig, gerade für unerfahrene R4-Insassen musste es der Horror gewesen sein, bei mir wollte nie einer mit. Es war schon eine sehr schaukelige Angelegenheit, das muss ich zugeben. Es reichten auch 3 Schrauben pro Felge, Reifenwechsel ruckzuck. Blinker und Licht/Scheibenwischer-Hebel waren vertauscht, das war immer eine Gaudi. Des Öfteren habe ich den Vordermann „angelichthupt“ obwohl ich nur die Scheibenwischer anmachen wollte. Die Scheibenwaschanlage bestand aus einem kleinen Hebel, der zum Pumpen, manuell, benutzt werden konnte, ein paar mal gepumpt und vorne spritze das Wasser auf die Scheibe. Irgendwann habe ich mir mal einen Spass daraus gemacht den rechten Spritzer nach rechts zu drehen so, dass ich im Vorbeifahren die Fussgänger anspritzen konnte, das war geil. Anzeigen gabs kaum, 'nen Tacho und 'ne Tankanzeige, die nie funktionierte. Die Handbremse übrigens auch nicht. Legendär ist die Revolverschaltung, absolute Beinfreiheit bis zum Beifahrer, der eh nur Zentimeter entfernt sass. In dem Auto konnte man problemlos das Beifahrerfenster aufmachen (vorschieben) ohne sich gross anstrengen zu müssen auf die andere Seite zu kommen. Die Fenster wurden übrigens zur Hälfte nur übereinander geschoben. Ganz schlecht für Manta-Manni.

Für die „Heizung“ gabs einen ganz einfachen robusten Schalter mit einer Stellung, und zwar „EIN“ oder „AUS“. „EIN“ startete einen Lüfter, der im Fussraum sass, und gefühlt etwa so laut wie eine startende Boeing war. Warm wurde es übrigens erst, nachdem man eine Stunde gefahren und wenn über 10 °C plus war. Spaltmasse war damals noch ein Fremdwort. In die Karre zog es überall rein. Ich musste mir irgendwann so einen Miniheizlüfter vorne an die Scheibe tackern, um die Scheiben etwas freizubekommen. Apropos vorne und Scheibe, da war nämlich der Rückspiegel, und zwar unten, nicht oben wie heutzutage. Das war sehr sinnvoll, damit hat man eh kaum gesehen, erst recht nicht, wenn jemand mitgefahren ist.

Im Winter wurde die Karre vom Schneepflug zugeschüttet, mein Gesell packte den R4 an der Stossstange vorne und hob die Schnauze einfach auf die Strasse, Freikehren, einsteigen, losfahren. Losfahren war nicht so einfach, die Batterie war am Ende.
Dieses geniale Auto hatte ein Loch in der Stossstange und da konnte man den Griff des Reifen-Schraubenschlüssels hineinstecken und weiter bis vorne untern Kühler in ein weiteres Loch, dann konnte man den Schlüssel drehen und die Karre sprang an.
Ich hatte auch alle Vorteile an Hängen. Damals war noch nichts von Wegen bis früh 0800h fast alles geräumt und gestreut. Ganz chillig bin ich den grossen BMWs und Mercedessen vorneweg über den Berg gefahren, während die schon am Anfang kapitulieren mussten.

Das erste, was ich mir eingebaut habe, war ein Autoradio und hinten links und rechts an den Köpfen der Beifahrer 2 Aufbauboxen. Hauptsache fett BUMM gemacht in der alten Franzosenkarre. Bei ebener oder abschüssiger Strasse konnte man das Auto auch allein anschieben, 2. Gang rein, Kupplung kommen lassen, Auto läuft. Die Krönung war mein praktischer Prüfungstag zum Führerschein. Bei uns musste man damals den Führerschein noch auf dem Arbeitsamt abholen. Es war Freitagvormittag und ich hatte für diesen Tag am Nachmittag einen grösseren Trip geplant, mein damaliger Buddy war auch schon auf dem Weg aus der alten Heimat zu mir.

Ich war höllen-scheisse nervös (hab generell Prüfungsangst). Natürlich hat klein Ali die Führerscheinprüfung bestanden, ich bin ein Naturtalent, wenn es um Dinge geht, die ich richtig geil find. Es war 1145h, um 1200h machen die Ämter zu. Ich mich auf mein Mofa geschwungen und mit wahnsinnigen 23 km/h (Auspuff war zu) zum Arbeitsamt gerast. Es war 1200h, als ich vor dem Arbeitsamt ankam. Eigentlich wollte ich schon geknickt wieder heimfahren, als ich mir dachte „gehst trotzdem einfach mal gucken“ und gucke an, die Tür war offen, schnell rein und geguckt in welches Zimmer ich musste, da es keine Tafel am Eingang gab, musste ich jedes Türschild lesen. Das hat mich weitere 10min gekostet. Total abgehetzt fand ich die richtige Tür und öffnete sie vorsichtig. Die Dame dahinter strahlte über das ganze Gesicht und meinte „Komm rein, herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Führerschein, vor dir waren ein paar junge Leute da und den letzten hab ich gefragt und der meinte da kommt noch einer, ich dachte, ich warte auf dich, hier bitte unterschreiben und dann mache ich auch Feierabend.“

Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass ich ab dem Moment 6 Monate nicht mehr aus dem Grinsen rauskam. Aufs Mofa, heim, das Auto geschnappt und erstmal zur Tanke, das Auto reisefertig machen, danach einkaufen, Auto beladen. Mein Buddy war auch schon da und so gings los die Reise gen Norden. Das Reiseziel war Hartenholm. Auf zum Werner-Festival! 

Es war schon lustig mit dem R4 auf der A7 hinter den Lastern, zum Überholen hat es nur am Berg gereicht, ansonsten sind mir die Brummis davon gezogen. Ein R4 mit 2 Erwachsenen Personen inkl. Schlafsäcke, Klamotten, Waschzeug, Futter, Getränke. Wir konnten nicht mal Bölkstoff mitnehmen, weil einfach kein Platz mehr in dem Auto war.
An den Kassler Bergen habe ich sie alle wieder abgezogen und bin mit knapp 55 km/h und eingeklappten Spiegeln hochgezogen. Unterwegs haben wir schnell festgestellt, dass noch sehr viele andere dasselbe Reiseziel hatten.

Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, aber damals wurden bei dichtem Verkehr, und der war von Würzburg bis ganz hoch dauerdicht, die Autotüren und Schiebedächer aufgerissen, teilweise sassen Leute auf dem Dach der VW-Busse oder im Anhänger und jeder hatte Bölkstoff im Anschlag und durch diese Gasse fuhren unsere Freunde und Helfer. Keiner zankte sich, alle halfen sich gegenseitig aus und jeder hatte jede Menge Bölkstoff dabei.
An diesem Tag war der Andrang so gross, dass wir kurz vor Hamburg beschlossen einfach rauszufahren, zu schlafen und am nächsten Morgen weiterzufahren. Da dachten wir noch bis dahin wäre der Andrang weg. („das Universum so: halt mein Bier“). Diese Idee hatten auch 5000 andere. Schlafen in einem R4 ist eigentlich nicht möglich, aber irgendwie haben wir es geschafft, wobei Schlafen jetzt übertrieben ist. Die Rücksitzbank bestand aus zwei robusteren Campingstühlen und war deshalb geteilt, man hatte Metall in den Rippen und musste mit angezogenen Beinen auf gefühlt 1,12m „schlafen“, vorne war es nicht besser, da sich die Sitze nicht grossartig verschieben liessen. Aber was uns nicht umbringt, macht uns stärker. Am nächsten früh gings wieder raus auf die Autobahn und dort standen wir dann auch die nächsten Stunden. Irgendwann kamen wir oben an, suchten uns eine Ecke für unser Zelt und gönnten uns von den Zelt-Nachbarn erstmal eine Bottle Bölkstoff.

In diesem Sinne: Hau wech die Scheisse.

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