• 18.03.2024

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Die letzten zwei Wochen habe ich viel draußen verbracht. Die Bienenvölker auf Sommersitz umgebaut, Gehölze und Frühgemüse gepflanzt, gesät, Beete vorbereitet. Selbstversorger zu sein kann ganz schön Spaß machen. Zur Religion darf man das natürlich nicht erheben, dann wird es zum „ismus“ und so ungenießbar wie alles andere, das mit „ismus“ endet. Um Geld geht es auch nicht, denn so viel spart man in unseren Breiten nicht und in der nötigen Zeit kann man vielleicht auch gutes Geld verdienen. Aber was ist schon Geld für einen Loser, der sowieso pleite ist?

Auf dem Selbstversorger-Trip bin ich nämlich auch, seit es mir möglich ist. Der Hauptgrund ist Naschsucht und Entdeckungslust. Ich will Geschmacksluxus, orale Vergnügungen, Erträge, Vielfalt, spielen und experimentieren, die Freiheit selbst produzierter Nahrung genießen, Nachbarn beeindrucken, mich selber beeindrucken, fluchen und mich freuen, wenn es gelingt. Einen Garten kann man als großes biologisches Spiel auffassen, dessen Gewinn man am Ende verfressen kann. Und auf jeden Fall lustiger und ernährender wie Farmville, das bevorzugt Damen spielen, wie man so hört. Und Männer machen es sich sowieso besser selber. Natürlich meine ich das gute Essen - und alles andere auch. Das eigene Zeug schmeckt oft so verdammt gut, wie man es sonst nie bekommen kann. Eine Menge Sachen bekommt man sogar überhaupt nicht zu kaufen. Nicht deshalb, weil es schlecht schmeckt, sondern weil es supermarktungeeignet ist. Es hält sich nicht lange genug im Regal, ist kommerziell schwer anzubauen, zu kleiner Markt, verliert gegen billigere aber schlechtere Ware...

Beim Obst ist der Kontrast besonders groß. Da gibt es Köstlichkeiten, die außerhalb des eigenen Gartens nicht zu haben sind und jeden Vorgarten zum Lieferanten exklusiver Spezialitäten machen. Die meisten Steinobstsorten sind in ausgereifter, aromatischer Form schlichtweg nicht zu kaufen. Das Zeug aus dem Supermarkt ist grässlich, unreif und reift auch nicht nach. Es wird nur deshalb gekauft, weil die Leute nichts anderes mehr kennen. Ausgereifte Pfirsiche, Renekloden, Mirabellen, Zwetschgen möchte ich nicht missen. Aprikosen sind frisch und reif vom Baum ein unvergleichlicher Genuss. Wer an weicher samtiger Haut lecken will und dann vollsaftige Süße mit erstklassigem Aroma haben will, muss seine Zunge über frische Aprikosen gleiten lassen. Lechz, stöhn. Wie so oft bei pflanzlicher und menschlicher Luxusware sind sie leider auch zickig, der Anbau bleibt schwierig. Aber Herausforderungen sind für Männer ein Ansporn, das Gejammere überlassen wir den Damen. Die stehen auch mehr auf bittere Orangen. Haben sie in Hautform ab 25 an den Oberschenkeln immer mit dabei. Könnte aber auch die Kraterkarte des verfallenden deutschen Asphalts sein. Egal - das ist nichts für uns.

Wer auf Exotisches steht, kann auch das selber wachsen lassen. Da sind zum Beispiel Pawpaws, Asiminia Triloba, die mit ihren tropischen Aromen und einem tollen Aussehen beglücken. Oder neue Minikiwisorten mit aromareichen Beeren, Dank mehr Winterwärme auch vermehrt Feigen und Persimonen.

Tierisches geht ebenfalls, Kleinvieh macht auch Mist. Über Bienen habe ich schon gesprochen, für Hühner braucht man etwas Platz. Aber nicht viel. Siedlerhäuser für bessere Arbeiter mit 400 qm-Grundstück hatten bis in die 1950er Jahre alle einen Hühnerstall im Garten eingeplant. Die Garage war nicht Standard, aber der Hühnerstall. Oder noch kleiner, ein Kaninchenstall passt sogar auf jeden Balkon. Man muss ja nicht so weit gehen wie die sozialistischen Ernährungsexperten aus Nordkorea, die die Stallhasen mit Gras vom Straßenrand füttern, um ein paar Proteine extra herauszuschinden. Für eventuell vorhandene Kinder ist es ein wertvoller Lehrgang über die Realitäten des Lebens und des Erntens, wenn Papa ihnen zeigt, wie das Felltier mit einer Eisenstange ins Genick fachgerecht getötet und dann aufgeschnitten, abgezogen und ausgenommen wird. Wer es sich nicht zutraut, übt an Nachbars Katze, dann ist auch das Beetschissproblem nachhaltig gelöst. Manche Kinder werden so zeitweise zum Vegetarier, ein kleiner aber verschmerzbarer Kollateralschaden. Unbezahlbar ist der böse Blick von Nachwuchs und Frauen, wenn der Papa den Kaninchenbraten alleine isst, dem sich die neu zu Tierliebhabern Konvertierten aus Pietätsgründen verweigert haben. Jedenfalls bis zur nächsten Salami auf der Pizza, da kann man dann doch nicht widerstehen. Es ist gar nicht so lange her, dass es gewisse Leute im Ort gab, die ein Schwein in einem kleinen Stall im Garten gehalten haben, um es dann still und leise zu schlachten, Vorschriften hin oder her. Nach dem letzten Grunzer kommt die Blutsuppe, fast wie bei einer Scheidung im deutschen Familienrecht. Drei meiner Bekannten haben Schafe, des Fleischs wegen. Die Wolle bringt nicht viel ein. Das sprengt aber den Rahmen heutiger Möglichkeiten bei weitem und ist eher was für Hobbylandwirte mit entsprechender Immobilie. Möglichst auf dem pfändungssicheren Land eines Dritten, solange man unterhaltspflichtig ist. So viel brauchbare Fläche ist im engen Deutschland sowieso nirgends zu haben, ohne sich für fünf Leben lang zu verschulden oder zu erben. Die Tiere selbst sind dagegen ausnehmend gut vor Pfändungen geschützt, wie in § 811 ZPO unter „Unpfändbare Sachen“ genannt: „Kleintiere in beschränkter Zahl sowie eine Milchkuh oder nach Wahl des Schuldners statt einer solchen insgesamt zwei Schweine, Ziegen oder Schafe“.

Fragt man Bekannte, warum sie keine Lust auf ein bisschen Selbstgewachsenes haben, kommen am häufigsten zwei Antworten: Kein geeigneter Platz, keine Zeit. Das stimmt sogar. Die Deutschen sind im europäischen Haus das Volk der Mieter, nicht der Eigentümer. Mieter, die man wie Zahnräder gerne im Land herumschickt, damit sie dort eingesetzt werden können, wo es einer Firma gerade am meisten passt. Immer flexibel sein für die Anforderungen anderer, Umziehen und Pendeln fürs Bruttoinlandsprodukt. Einen Apfelbaum vor einer Mietwohnung kann und darf man halt nicht häufig pflanzen. Das gilt auch für die benötigte Zeit. Wir sollen viel und lange arbeiten, viel Steuern zahlen, Umsätze für andere machen. Selbstversorgung ist da geradezu staatszersetzend, denn sie ist rein monetär für Dritte ineffizient. Keiner verdient was dran und Arbeitnehmer sollen lieber für Überstunden parat stehen, statt sich am Spätnachmittag im Gärtlein zu vergnügen.

Man kann das aber auch ignorieren, wenn man will. Angefangen habe ich, indem ich billige Pflanztöpfe auf ein gekiestes Garagendach gestellt habe, das von meiner abgewirtschafteten kleinen Mietwohnung aus erreichbar war. Da drin wuchs die ganze Saison über eine imposante Sammlung verschiedener Chilis, Habaneros, Paprika, dazu Kräuter wie Basilikum. Das stellt das Jahr über die Versorgung mit feurigen und würzigen Soßen und Zubereitungen sicher. Gewiss Lichtjahre weit von Eigenversorgung entfernt, aber ein Anfang, um Erfahrungen zu sammeln. Interessant war auch das Misstrauen von Nachbarn, denen der Schein meiner Pflanzenlichtlampe aus dem Fenster eines kleinen Abstellraums aufgefallen war, wo ich ab Februar meine Anzuchten machte. Man vermutete eine Indoor-Drogenplantage. Ich bot an, die dort wachsende Droge Capsaicin zu liefern. Probieren wollte man dann aber doch nicht. Das hätte wohl auch nur Keuchen, Brüllen und zum nächsten Wasserhahn Rasen verursacht, wo man dann festgestellt hätte, dass Wasser gar nicht gegen die Drogenwirkung hilft. Scharfe Sache, diese Drogen.

Die nächste Stufe ist ein Garten für Dinge, die frisch sehr gut sind und wenig Platz brauchen. Frische Salate, Kräuter zum Beispiel. Das kann je nach Zeit und Fläche auf mehr Gemüsearten ausgeweitet werden, schließlich auf Obst und Bodenknollen wie zum Beispiel Kartoffeln, Süßkartoffeln, Topinambur, Oca, Yacon und solche Kulturen. Bei Getreide, einigen Fleischarten und Fett wird es schwierig bis unmöglich, da wird das Engagement zu echter Arbeit. Wobei auch das manchmal drin ist, wir haben regelmäßig das Getreide Mais angebaut (Zuckermaissorten), für Popcorn und für die Hühner. Auch zehn Liter Öl bekommen wir pro Pressung jedes Jahr, aus Walnusskernen, die wir in einer Ölmühle auspressen lassen. Männer sollten Nüsse haben, das ist gesund und sorgt für Öl. Zur Abwechslung kann man außerdem selber mal was pressen lassen, statt ständig ausgepresst zu werden.

Unser Flächenbedarf liegt bei 70-100 qm pro Person, wenn man den Eigenbedarf von Gemüse und Beerenobst zu 80 % selbst erzeugen will. Anderes Obst benötigt deutlich mehr Fläche, Hühner 25 qm. Mit den üblichen Methoden der Haltbarmachung reicht die Ernte auch weit ins Frühjahr. Das hat sich verbessert, denn mittlerweile beginnt die neue Saison viel früher, die Winterlücke ist kleiner. Die letzten Jahre ist es immer gelungen, wie in Italien Herbstaussaaten robuster Sorten über den Winter stehenzulassen (Salate, Blumenkohl, Kohlrabi, dicke Bohnen, Karotten) und auf diese Weise sehr früh im nächsten Jahr wieder Erträge zu bekommen. Tiefe Fröste gab es nicht mehr und selbst empfindlichere Kulturen wie Artischocken überwinterten problemlos. Ich habe auch mehrere Feigen im Freiland und Kakis. Nicht nur das Holz, auch schon mit Ernte. Deutschland im Klimawandel?

Und nicht vergessen: Unter kundiger Anleitung dürfen sich auch Frauen im Garten nützlich machen. Flach hacken gegen Unkraut war früher Frauenarbeit. Rhythmische, einfache und eher passive Bewegungen liegen ihnen offenbar, warum bloß? Gekonnt mit dem harten Spatenwerkzeug einen Stich in die Tiefe machen, umgraben und durchpflügen machten Männer. Der Garten als Abbild der Welt.

P.

Weiterführender Link: TrennungsFAQ

Ratsuchende Väter finden im TrennungsFAQ-Forum konkrete Hilfe

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