• 24.04.2024

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Gastautor: eisfreak

Endlich halte ich ihn in der Hand. Es ist eigentlich nur ein besserer Stoffsack mit Trägern, aus billigem Nylonmaterial gefertigt. Aber es ist nicht nur mein erster selbst genähter Rucksack, sondern viel mehr: Es ist mein Ticket in die Freiheit. Es ist die Strickleiter aus dem größten mentalen Loch, in das ich je in meinem Leben hineingefallen bin. Es ist der Anfang einer langen Reise, die sich seitdem komplett anders anfühlt und meinem Leben neues „Leben“ eingehaucht hat.

Keine Therapie und kein Ratgeber hatten mir geholfen, aus dem mentalen Loch herauszukriechen. Mich hatte es tüchtig auf die Bretter gehauen – rückblickend war es jedoch das Beste, was mir passieren konnte. So war ich gezwungen, mein ganzes Leben, meine Glaubensgrundsätze, meine Grundannahmen radikal infrage zu stellen.
Das gab mir die Chance, mein Leben völlig neu aufzubauen, mich zu besinnen und neue Grundsätze aufzustellen.

Jahrelang war ich in genau dem Modus durch das Leben gehetzt, in dem das System dich haben will: ständig gestresst, immer mit dem Gefühl „ungenügend“ und „unvollständig“ zu sein – immer im Bestreben, sich noch besser anzupassen.

Passenderweise hatte meine Hausärztin als Erstdiagnose auch „Anpassungsstörung“ in die Krankschreibung eingetragen. Man hatte mir zu lange die Möhre nur vor die Nase gehalten, aber nie abbeißen lassen. Meine Motivation war auf null gesunken und ich war psychisch ausgelaugt. Mit viel List und Tücke kam ich im Endeffekt auf ein Vierteljahr Krankschreibung. Am liebsten wäre ich für ein halbes Jahr ins Kloster gegangen, aber auch so war ich erstmal aus dem Hamsterrad raus. Zeit, um alles sacken zu lassen, um sich neu zu besinnen.

So googelte ich erstmal nach einem Erklärungsmuster für meine Situation. Was war falsch gelaufen? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Ich war in meiner Beziehung „Betaisiert“ worden. Ungefähr um die Zeit muss ich auch auf das MM aufmerksam geworden sein, da waren die Google-Filter seinerzeit noch nicht ganz so scharf. Damals schreckten mich die Diskussionen eher ab. Das hatte aber im Grunde nichts mit den Diskussionen zu tun, sondern mit dem erst schrittweise stattfindenden Ablöseprozess von meinen alten Glaubensgrundsätzen. Ich wollte einfach noch nicht wahrhaben, dass Frauen so sind, wie sie eben sind.

Meine abstrakte „Frau“ stand immer noch auf einem Sockel und hatte einen Heiligenschein. Doch der Sockel bröckelte schon und der Heiligenschein verblasste zusehends. Es war wie im Märchen „Von dem Fischer und siine Fru“, die Forderungen der Madame wurden immer skurriler und unerfüllbarer. Alles, was ich besaß und konnte, hatte ich in die Beziehung investiert. Mehr ging nicht, ich war erledigt.
Wenn ich alles sage, meine ich wirklich alles. Da durfte ich sogar wieder an die Schatztruhe ran. Frauchen wollte die Ferne zum Arbeitsmarkt durch ein weiteres Kind sichern. Aus meiner Sicht sollte der Nachzügler die Beziehung retten.

So, nachdem ihr sicherlich alle vor Lachen vom Stuhl gefallen seid, weiter im Text.

Nachdem ich also alle Wünsche der Frau erfüllt hatte, wurde es richtig schlimm. Da war ich dann völlig unten durch und wurde nur noch respektlos behandelt.

Zu der Zeit traf ich auf jemanden, der mir spezielle Meditation-CDs gab. Das ist keine Bügelmusik aus dem DM, sondern da werden spezielle Frequenzen angewendet. Ohne das näher ausführen zu wollen – es half mir, spürbar mental ruhiger zu werden. Außerdem hörte ich auf, den zermürbenden Dauerstreit um dieses und jenes weiterzuführen. „Sie“ dachte, sie hätte nun endgültig die Kontrolle über mich gewonnen.

Ich kam von der Arbeit, ging dann noch mit den Kindern auf den Spielplatz, oder einkaufen. Ohne große Diskussionen. Natürlich habe ich auch noch den Abwasch gemacht, schließlich kann ich mich ja nicht immer mit dem Argument der Erwerbsarbeit vor meinen häuslichen Pflichten drücken.

Dann ging ich in mein eigenes kleines Zimmer, und setzte mich an die Nähmaschine. Anschließend hörte ich eine Meditationsmusik, legte mich auf die Isomatte und wickelte mich in den Schlafsack. Am nächsten Tag stand ich wieder um fünf Uhr auf, schließlich rief die Pflicht. Für mich war das eine Art Härtetest, und ich arbeitete währenddessen an meiner Exitstrategie. Auch wenn ich nicht im Kloster war, so konnte man mein Leben damals durchaus als mönchisch bezeichnen: Beten (also meditieren) und arbeiten.

Da „ihr“ klar war, dass ein kranker Mann auch zu nichts nütze ist, bekam ich während meiner längeren Krankschreibung tageweise Ausgang zur Regeneration. Mit dem selbstgenähten Rucksack zog ich los und war zwei Tage Wandern. Nach den ersten Schritten im Wald hätte ich losheulen können. Da war es wieder, dieses Gefühl der Freiheit, das Abenteuer lockte! Ich war wieder ich.

Eine Weile später übertrug ich dann diese Outdoor-Technologie auf das Mountainbiken und ertrotzte mir in der Folgezeit, als ich dann wieder arbeitsfähig und in irgendwelchen Jobs war, immer wieder diese Auszeiten für mich. Das waren ja letztlich immer nur ein paar Tage. Aber dass ich da den Spaß meines Lebens hatte, gefiel Madame natürlich überhaupt nicht. Sie spürte wohl schon instinktiv, dass sie nicht mehr an erster Stelle in meinem Leben stand und ich ihrer manipulativen Kontrolle entglitt. Es war ihr auch nicht gelungen, einen Keil zwischen mich und meinen Eltern zu treiben. Wer das versucht, der hat schon verloren, da hat der noch gar nicht angefangen. Familie ist mir heilig, und deshalb habe ich auch so lange in meiner verkorksten Familie ausgeharrt. Aber irgendwann kommt der Selbstschutz zum Tragen.

Jedenfalls kam es dann endlich zum Eklat. Wer mit einem Ultimatum droht, sollte auch den Ernstfall ins Kalkül ziehen. Meine Tourentage sollten also gestrichen werden, das wollte ich aber nicht.
Wenn ich darauf bestehe, dann soll ich ausziehen!
Guter Vorschlag, wird gemacht, dann ist hier jetzt Schluss.
Dann suche dir aber bitte auch bald eine Wohnung!
Wird gemacht. DIESEN letzten Wunsch habe ich ihr gerne erfüllt. Es ging dann, nach Jahren des Ausharrens, des schwelenden Konflikts, erstaunlich schnell und schwups! Weg war ich.

Was war letzten Endes mein „Fehler“ gewesen? Oder anders formuliert, welche Lektion sollte ich daraus lernen? Die Lektion hieß für mich, sich nicht von anderen emotional abhängig zu machen. Die Fähigkeit zur Abgrenzung und, sagen wir mal, ausreichend Selbstgenügsamkeit – darum ging es.

Neue Glaubensgrundsätze ersetzten die alten, unproduktiven. Das war eine Art innere Forschungsreise, spirituelle Bücher gaben mir wesentliche Impulse zur Neugestaltung meiner mentalen Verfassung.

Ich bin „genug“ – ich bin ein kompletter Mensch! Alles, was ich benötige, ist vorhanden. Natürlich bin ich nicht fertig, zahllose Wachstumschancen warten auf mich.
„Immer diese Probleme – wann hört das mal auf?“, war früher. Heute sage ich mir: „Erstens, ich lebe noch. Also ist noch alles möglich! Jede Erfahrung gibt mir die Möglichkeit, zu lernen und zu wachsen. Einfach kann jeder – wenn es hart auf hart kommt, kann ich zeigen, dass ich Eier habe!“

Gleichzeitig sage ich mir auch: „Müssen“ muss ich gar nichts, und wenn ich diese Existenz verlasse, ist noch lange nicht Schluss. Die Realität ist viel größer und umfassender, als ich es mir auch in meinen kühnsten Träumen vorstellen kann.

Nie wieder werde ich mein Selbstwertgefühl von einem Job oder einer Partnerschaft abhängig machen. Hobbys haben mich gerettet, ich habe sozusagen das therapeutische Nähen erfunden. Tausendmal besser als Korbflechten! Es gab mir das, was die Psychologen „Selbstwirksamkeit“ nennen. Etwas, das in unserer extrem ausdifferenzierten und arbeitsteiligen Welt so direkt nicht mehr erlebbar ist. Bäcker und Maurer mal außen vor gelassen.

Selbstvergessen etwas rein aus Leidenschaft tun, dabei Zeit und Raum vergessen – das hat mich von Job und Partnerschaft regelrecht emanzipiert. Witzigerweise läuft es seitdem auch im Job besser, da habe ich mittlerweile ein ganz anderes „Standing“. In Bezug auf Partnerschaft kann ich nur sagen, dass mit einem gewissen Abflauen der Libido das Alleinsein mein bevorzugter Status ist.

Auf diesem Weg lernt man sich gut kennen. Vermutlich bin ich sensitiver als andere Menschen, und benötige einfach mehr Freiraum für mich selber. Welche moderne Frau akzeptiert schon so etwas, die will ja im Grunde nur die moderne Version vom Kammerdiener hinter der Tapetentür. Da ich schnell Kontakt zu anderen Leuten knüpfen kann, fühle ich mich keinen Moment einsam.

Wenn man sich auf seine Ziele fokussiert und konsequent jeden Schritt in die richtige Richtung geht, muss man nicht hetzen. Stück für Stück baut man sich seine eigene Welt auf – die passenden Freunde und „Buddys“ kommen da ganz von selber.

Manchmal, wenn ich Sonntagabend nach einem vollgepackten Touren-Wochenende völlig breit im Bett liege und kaum noch die Augen offen halten kann, denke ich an das alte Leben zurück. Es fühlt sich mittlerweile irgendwie unwirklich an, aber die Erfahrungen musste ich eben machen.
Genau diese Erfahrungen sind es, die mich immer wieder motivieren, nicht von meinem Weg abzuweichen. Wer will, kann mich sogar ein Stückchen dabei begleiten, aber ich werde deshalb weder den Kurs noch das Tempo ändern – sonst wären alle dunklen Stunden, alles Leiden, alle Erfahrungen umsonst gewesen.

P.S. Der erste Rucksack existiert schon gar nicht mehr, da habe ich irgendwann die Schnallen abgeschnitten und den in die Tonne getreten. Aber es war der Startschuss zu weiteren Kreationen, die mich heute noch auf Touren begleiten.
Eigentlich sind die alle gut genug … aber ich habe da noch so ein paar Ideen, Stoff ist ausreichend vorhanden und die Nähmaschine soll ja auch nicht einstauben …

P.P.S. Natürlich hätte ich gerne mein ganzes Nettogehalt für mich, die monatliche Strafrate für zweimal erfolgreich Vögeln ist schon mehr als deftig. Aber streng genommen hatte ich noch nie soviel Platz alleine für mich in meiner 35 m² DG-Wohnung und soviel Geld alleine nur für mich, von der unbezahlbaren Zeitautonomie ganz zu schweigen. Zu dumm nur, dass ich die ganze Zeit wieder im MM-Forum vertrödel ;-))



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