• 27.03.2024

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Spaß vor Gericht

verhandlung

» Artikel vom

Autor: p.

Keiner steht gerne vor Gericht. Als Beklagter im Strafrecht sowieso nicht, aber auch im Zivilrecht macht man das nur, wenn man wirklich nicht mehr weiter weiß. Das Zivilrecht suggeriert für den Laien, eine Einigung, eine Lösung oder wenigstens einen Abschluss für ein Problem zu bekommen, das man mit einer Gegenpartei hat. Diese Illusion verwandelt sich nach der ersten Gerichtsgang und den ersten eigenen Erfahrungen mit der Rechtspflege meistens sehr schnell zu einem müden Abwinken.

In Familienrecht dürfte das für fast alle Männer zutreffen, die jemals einen Sitzungssaal betreten haben. Typische Massenverfahren dort sind bekanntlich Ehescheidung, Unterhaltsverfahren, Verfahren um Sorgerecht und Umgangsrecht. Seltener Vaterschaft, Adoption, Pflegschaft. Männer haben meistens schon verloren, bevor sie überhaupt die Anträge schreiben oder die der Gegenpartei erhalten. Es gibt wohl kein Zivilrechtsgebiet, bei dem Männer so stark untergebuttert werden wie im Familienrecht. Dazu kommen schwachsinnige Kosten wegen immer stärker ausgeweiteten Anwaltspflichten und noch schwachsinnigere Kosten, weil ein fauler Richter seinen Job und seine Verantwortung weggeworfen hat und stattdessen ein Gutachten in Auftrag gibt. Damit entstehen schlagartig hohe vier- bis fünfstellige Kosten. Wer nicht schon vorher pleite war, ist es vielleicht jetzt. Gegen das Gutachten wehren kann man sich auch nicht. Eins der häufigen Themen in Väterforen ist der Umgang mit miesen Gutachten. Viel zu machen ist da nicht, selten kann man die Besorgnis der Befangenheit geltend machen. Man kann auch die Mitwirkung verweigern, was aber nichts an einem schlechten Ergebnis ändert. Der Richter hat es Dank Gutachten einfach: Er entscheidet einfach nach Gutachten und muss sich nicht mit dem Kram beschäftigen, für den er eigentlich selber zuständig ist. Und noch besser: Richter kennen die Gutachter ganz genau. Mit der Auswahl des Gutachters lassen sie sich nur noch einen Beschluss auf Kosten der Parteien begründen, mit einem Ergebnis, das sie längst im Kopf haben. Will man einen Vater fertigmachen, wählt man einfach Gutachterinnen, die nie ein gutes Haar an Vätern lassen. Solche und andere faulen Touren im Rechtswesen sind unter der Hand anerkannte Praxis.

Ist man einmal über den Punkt hinaus, noch etwas Sinnvolles von einem deutschen Gericht zu erwarten (was sehr schnell passiert), können Verfahren aber auch Spaß machen. Kaum zu glauben, aber wahr. Die Kostenfrage muss allerdings geklärt sein, denn am meisten Spaß macht es, die Puppen auf fremde Kosten tanzen zu lassen. Günstig ist dabei ein Unterhaltsprellerstatus, damit interessieren weitere Schulden nicht mehr. Oder man ist berechtigt für Verfahrenskostenhilfe, was nicht einfach ist, weil damit auch eine rechtliche Vorprüfung verbunden ist. Der Staat legt die Kosten nur aus, wenn Erfolgsaussichten da sind und die Klage nicht mutwillig ist.

In meinem vierten Familienrechtsverfahren habe ich mir diesen Spaß einmal gegönnt. Im ersten Verfahren direkt nach der Trennung verknackte man mich zu irgendeinem Unterhalt, den ich nie bezahlt habe, dann folgten zwei Verfahren mit mir als Antragsteller um das Umgangsrecht, die dem Trennungskind oder mir letztlich nicht die kleinste Verbesserung an den bestehenden Problemen brachten. Das war alles recht unlustig, aber wenigstens nicht teuer, weil es ohne Anwalt ging und die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden. Das bedeutet, jeder zahlt seine Kosten selber. Das vierte Verfahren sollte endlich mal den Anderen statt mir Ärger bereiten und Spaß machen. Ich hatte vor, ein bisschen die Grenzen zu überschreiten. Ärgern wollte ich die Ex und ein Jugendamtsweibsstück, die unfähigste, verlogenste und aggressivste Jugendamtsfigur, die ich je kennengelernt hatte. Sie deckte über Jahre jeden Mist der Ex, beförderte Entfremdung, Umgangsverweigerung und benahm sich mir gegenüber immer an der Grenze zur Beleidigung und darüber hinaus. Nebenher wollte ich noch die Justiz beschäftigen, ohne etwas zu zahlen.

Also frisch losgeklagt. Inhalt der Klage und mein Antrag: Ein Satz. Ein Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht. Hatte ich nämlich nicht, als Vater ohne Trauschein ist man davon bis zum heutigen Tag erst einmal ausgeschlossen, die Mutter hat das unbedingte Sorgerechtsprimat, § 1626a BGB. Ein paar Jahre vorher hatte man als Vater nicht einmal das Recht, auf das gemeinsame Sorgerecht zu klagen. Meine eigene Klage war natürlich aussichtslos und es ging mir gar nicht um das Sorgerecht, denn auch mit Sorgerecht bekam ich keine wirklich durchsetzbaren Rechte. Das Sorgerecht ist in der deutschen Praxis, das Recht, der Mutter zuzustimmen; Glasperlen mit sehr wenig Wert. Als erste Reaktion auf meinen Antrag kam von der sogenannten Mutter bald ihr eigener Antrag übers Gericht. Natürlich sei mein Ansinnen abzulehnen. Es folgten zehn oder zwölf Seiten Begründung. Von der habe ich bis zum heutigen Tag nur die ersten Zeilen gelesen, ansonsten ungelesen abgeheftet. Warum soll ich mich mit kranken Exenphantasien beschäftigen? Es war mir schon eine Freude, dass sie sich offenbar ärgerte und viel Arbeit machte, um irgendwas zu antworten.

Mal sehen, was läuft. Ein Termin wurde schließlich festgesetzt, ich kam pünktlich in unauffälliger Kleidung und gut gelaunt ins Amtsgericht. Das lange Exengeschreibsel war ein Indiz dafür, dass sie aufgeschreckt war. Vor dem Saal angekommen sah ich, dass die Jugendamtsmitarbeiterin früh da war. Nennen wir sie Fatma, nicht ihr echter Name, aber die Richtung stimmt. Sie tuschelte bereits eifrig mit der fett gewordenen Ex, das Duo war kein schöner Anblick. Das Kind war auch da, aber irgendwo vor mir versteckt in einem Aufenthaltsraum. Dann sind wir alle in den Sitzungsraum, ich setzte mich ruhig hin, absichtlich gegenüber Fatma, blickte aber defensiv auf den Boden, legte die Hände zusammen um unterschätzt zu werden. Das klappt bei mir immer. Mein Akzent wird stärker und die Umgebung hält mich für einen Dummbold vom Lande, was ideale Voraussetzungen für einen unerwarteten tiefen Messerstich von hinten sind. Der Richter saß wie üblich vorne und fragte die Fachfrau Fatma gleich zu Anfang, was das Jugendamt, Sie, zu unserem Fall zu sagen habe. Und siehe da, Fatma war nicht nur in ihrem Jugendamtszimmer eine miese Nummer. Eifrig zog sie sofort mit diversen Lügen vom Leder, machte auf Shotgun-Taktik. Erzählte grinsend von Terminen, die wir ausgemacht hätten und zu denen ich dann angeblich nicht gekommen wäre (reine Lüge). Und weiter, von meinem angeblich so schlimmen Benehmen in ihrem heiligen Amtszimmer (ich traute mich dort kaum, etwas zu sagen, man hofft ja immer nichts durch unbedachte Sätze kaputtzumachen). Der Richter sah eher gelangweilt drein. „Was sagen sie dazu, Herr p?“.

Herr p sagte einen zahmen Satz über falsche Fantasien und wurde dann unterbrochen, das sei Persönliches und hätte mit der Sache nichts zu tun. Aha. Es wird Zeit für den geplanten Spaß in der Runde. Herr p sitzt plötzlich aufrecht, hebt den Blick, sieht erst dem Richter und dann Fatma direkt in die Augen und beschert den Anwesenden etwas, was wohl nicht so oft vor dem Richter im Gerichtssaal vorkommt. Ich servierte klar und artikuliert ein „wenn ich da vorne als Richter sitzen würde, hätte ich sie, Frau Fatma, schon längst hochkant aus dem Saal geworfen, sie sind eine schamlose Lügnerin“ und setzte in einem Atemzug nach, dass ich mit dieser Person kein Wort mehr wechseln würde. Sie sei befangen, sie hätte dazu bereits eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhalten (was stimmte) nach der sich ihr Chef für sie entschuldigt habe, sie sei parteiisch und vollkommen unfähig, irgendeinen qualifizierten Satz über uns vorzubringen. „Frau Fatma, Sie sind eine Katastrophe, das beste für alle und vor allem für das Kind wäre, Sie würden mit samt ihrer Unqualifiziertheit einfach verschwinden.“ Hinsichtlich der Anträge um das Sorgerecht sei ihre Anwesenheit überflüssig und ihre Aussagen so daneben, dass sie offenbar nicht einmal den Sorgerechtsbegriff verstanden habe. „Mit Ihnen will ich, und hoffentlich viele andere Eltern, nichts mehr zu tun haben.“

Rumms. Der Richter wirkte plötzlich wach, die Augen weiteten sich. Oha. Aber er reagierte für mich überraschend. Ich hatte es eigentlich darauf angelegt, die Sitzung zu sprengen. Er hörte sich das jedoch verdächtig cool an, ohne zu unterbrechen. Ich meinte zu spüren, dass er offenbar schon gewisse eigene Erfahrungen mit dieser Person hatte. Kein Wunder, die Jugendamtstrullas treten ja oft vor Gericht auf. Am Ende meiner überraschenden Suada meinte ich, ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen. Und es wirkte. Fatma schnappte nach Luft, wirkte mehr als überrascht. Aber sie sagte auch nichts mehr. Kein Wort. Sie saß eine Stunde im Saal und keiner hat sie mehr etwas gefragt oder sie angesprochen, nicht einmal die Ex. Keine weitere "Jugendamtsvermittlung", kein Wort mehr übers Jugendamt. Sie war draußen. Den Richter fragte ich nach einer unangenehmen, aber wohlkalkulierten Pause, wieso das Jugendamt überhaupt geladen sei, er antwortete, das müsse er (was ich natürlich wusste) – zum mündlichen Termin immer. Ein „leider“ lag in der Luft.

Sodann drehte ich meinen Stuhl weg von Fatma und führte einen netten und juristisch gefärbten Dialog mit dem Richter übers Sorgerecht. Wieso ich die Sorge wolle? Weil ich wenigstens bei den sehr wenigen bis gar keinen kommenden Entscheidungen gemeinsam mitentscheiden will, die gemeinsame Sorge würde dem Kindeswohl dienen und ihm nicht widersprechen. Es entfalte in der Praxis ohnehin keine Blockadewirkung, womit es auch keinen rationalen Grund für Ablehnung der gemeinsamen Sorge geben könnte. Er meinte dann, sie müsse dem Wohl des Kindes entsprechen, worauf ich den Paragrafen zitierte, in dem es bereits ausreicht, dass sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. Er bezeichnete den Unterschied zwischen „nicht widersprechen“ und „entsprechen“ als nahe beieinanderliegenden, sehr ähnlichen terminus technicus, was ich jedoch anhand der Gesetzesbegründungen des Ministeriums differenzierter sah. Er schluckte. Er sei mit der ganzen Gesetzgebung ohnehin unglücklich, in einigen Jahren werde der Gesetzgeber das ändern müssen (was bis heute nicht passiert ist). Grundvoraussetzung sei „dass sich die Eltern verstehen“. Ich entgegnete, ich wüsste, dass der Termin ohnehin eine Farce wäre, denn ein nötiger mündlicher Termin ließe sich ja schon als Indiz benutzten, dass die gemeinsame Sorge wegen Elternstrittigkeit nicht angebracht sei, das ganze Verfahren also ein Witz und eine Catch-22 Situation für Rechtssuchende ist. Ich hätte im Prinzip damit recht, meinte er, und es müsste sowieso erst mit dem Umgang klappen. Wir unterhielten uns dann noch nett über die Reichweite der Teilrechte in andere Rechtsgebiete hinein, der Richter behandelte mich plötzlich als Referendar, ich ihn auch, die Damen waren schweigende Zuhörer und verstanden nicht die Hälfte der benutzten Begriffe.

Kurz und gut, es lief als juristisches Kaffeekränzchen ohne Beteiligung von Fatma oder Ex weiter, die inhaltlich sowieso keinen Schimmer mehr hatten. Anschließend hat er allein mit dem vorher durch die Ex von mir sorgsam ferngehaltene Kind gesprochen. Er wurde selber väterlich, erzieherisch, lobte das Kind, redete vorsichtig über Umgang, obwohl dazu gar nichts beantragt war, was im Zivilrecht eigentlich gar nicht drin ist. Noch im Saal wurde ein Umgangstermin vereinbart, der Richter könne „sich vorstellen“, dass das Kind am X.Y.ZZZZ komme, die Ex nickt wortlos dazu. Ansonsten ruht das Verfahren, Protokoll geht uns zu, Ende. Richter grinst diesmal deutlicher, Ex und Fatma rauschen ab. Zwei Wochen später war das Kind wieder bei mir und ab dann öfter, denn es hatte jetzt das erste Handy. Und ab dem Moment, seit dem ich direkt mit dem Kind kommunizieren konnte und nicht mehr über die Ex in der Hassfalle, lief alles wesentlich besser als jemals zuvor.

Durch das Kind habe ich später erfahren, dass Fatma und Mutter vor dem Verfahren mit großer Energie im Internet nach mir gesucht haben. Im Internet suchen sie alle gerne, die Kindervergifterinnen, was verwertbar ist, verwertet, mehr als ad personam können sie nicht. Für mich war damit klar, dass es richtig war, bei allen öffentlichen Äußerungen anonym zu bleiben. Und es war auch klar, dass brav sein generell witzlos ist. Spaß oder Ruhe, alles andere reibt nur auf. So lernen Männer den Durchblick, hart aber deutlich.

Mit dem Wissen von heute würde ich das Kind am Tag der Trennung trotzdem abhaken und die Ruhe wählen, aber dieses Verfahren war wenigstens eine witzige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Gönnt euch wenigstens etwas Spaß – an jedem Ort, bei jeder Gelegenheit. Dieses Recht hat jeder, auch wenn er vorher Fehlentscheidungen getroffen hat.

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