• 28.09.2024

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Genüsse aus der Küche

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Heute gibt‘s einige Rezepte von einfachen Gerichten, die schon längere Zeit zum Standardrepertoire gehören und deren Machart leicht optimiert ist. Ich liebe viele Dinge, die ihren Ursprung in nahen und fernen Ländern haben, aber den Grundstock bilden die heimischen Klassiker. Deren Zutaten wachsen vor der Haustür. Von denen gibt‘s heute eine Portion aus meinem Rezeptbuch serviert. Sie sind ganz einfach, benötigen wenig Zutaten, aber Übung.

Die Küche der deutschen Regionen wird unterschätzt. Setzt man sie in Relation zu dem, was hierzulande an Zutatenvielfalt verfügbar war, ist sie sogar sehr gut. Denn verfügbar war nie besonders viel. Dazu haben viele Faktoren beigetragen. Einerseits liegt Deutschland in einer sehr unvorteilhaften Zone mit ausgesprochen artenarmer Natur. Es gibt auch wenig heimische Gemüsesorten, Kräuter, Fisch, auf die man zurückgreifen kann. Das geht zurück bis zur letzten Eiszeit. Was in Asien und Amerika in den Eiszeiten nach Süden zurückweichen konnte und dann wieder nach Norden wuchs, kam in Europa nicht mehr übers Mittelmeer und die Alpen, Pyrenäen, Karpaten und starb aus, gewachsen sind damals nur Tundra und Gletscher. Viele Baum- und Pflanzenfamilien verschwanden komplett, die auf anderen Kontinenten kontinuierlich weiter existieren. Beispiele für in Europa in der Eiszeit komplett ausgestorbene Familien sind der Bambus, Mammutbäume, Trompetenbäume. Mitteleuropa ist infolgedessen sehr artenarm.

Was hier Essbares wächst, brachte fast ausschließlich der Mensch von weit her mit - so zum Beispiel ausnahmslos alle Getreidearten und Hülsenfrüchte, Nutztiere, fast alle Gemüsesorten. So viel gedeiht ohne trickreiche Kulturmaßnahmen ohnehin nicht, denn die Vegetationszeit ist mit nur vier frostfreien Monaten sehr, sehr kurz. 80% der heute hier angebauten und gegessenen Gemüsesorten stammen aus Amerika und Asien und sie gedeihen nur mit mühsamen neuzeitlichen Kulturmaßnahmen. Selbst sehr deutsch erscheinende Gemüsesorten wie die Karotte oder Zwiebeln haben Erbgut aus Persien und Afghanistan, Asien. Mitteleuropäisch ist nur der Kohl. Die Milchwirtschaft erreicht immerhin etwas Vielfalt, blieb aber begrenzt auf den äußeren Nordwesten und die Alpen, für mehr fehlten immer die Flächen. Ein Acker macht eben mehr Menschen satt als eine Weide. Die lohnt sich nur, wo Boden oder Klima so mies sind, dass kein Acker mehr geht. Für Fisch gibt‘s zwar Fließgewässer, aber wenig natürliche Binnenseen und den meisten Gebieten mangelt es an Küstennähe.

In Deutschland trafen sich außerdem in den letzten 500 Jahren vor allem alle möglichen verheerende Armeen. In Kriegen, wie dem schier endlosen 30-jährigen Krieg, wurden viele Landstriche entvölkert, Esskultur und auch landwirtschaftliche Kulturtechniken litten jedes Mal stark darunter, weil ganze Generationen ausfielen. Gute Jahre waren das Zechjahrhundert bis zum 30-jährigen Krieg. Die überlieferten Rezepte und Berichte aus dieser Zeit lassen auf eine ausgefeilte, prunkvolle Küche schließen, nicht nur einer kleinen Oberschicht, sondern bis zum Kleinhandwerker und besseren Bauern hinunter. Die städtische Bevölkerung ließ damals außerdem ausgesprochen oft Experten kochen, man ging häufig in Wirtschaften, die Esskultur erreichte Höhepunkte, Küchen anderer Länder waren schon damals schwer in Mode. Starke Rückschläge in den letzten hundert Jahren waren die Weltkriege mit Folgen bis heute. Sie ersetzten alle feineren Zutaten und Zubereitungen durch eine gierige, würzarme Sattmach- und Ersatzproduktküche. Danach wusste keiner mehr, wie der Winterkalvill schmeckt, was man aus Rebhuhn zaubern kann oder auch nur, wie guter Kaffee schmeckt.

Rechnet man diese historischen Rückschläge und Schwierigkeiten ein, wird in Deutschland trotzdem einiges geboten. Bleiben wir diesmal bei einigen einfachen „regionalen Spezialitäten“, die man heute gerne als typisch ansieht, aber oft auch erst im 19. Jahrhundert zu dem entwickelt wurden, was wir heute darunter verstehen. Regional liegen sie in Süddeutschland. Diese Küche bildet von West nach Ost einen Übergangsbereich von französischer nach österreichischer Küche und hat so wie andere Regionen einige echte Spitzen entwickelt. Heute geht‘s es aber um bäuerliche Tagesgerichte.

Schupfnudeln

Gibt es seit zehn Jahren auch im Supermarkt als Fertigware, aber mies gemacht. Die feinere Variante heißt „Bubenspitzle“, was nicht heißen soll, dass die Kundschaft pädophil ist. Die Grundidee dieser Mehl-Kartoffelkreation war, Kartoffeln in etwas Nudelartigem unterzubringen, aber das Kartoffelaroma in der Nudelkonsistenz zu bewahren. Kartoffeln taten sich in Süddeutschland schwerer als im Norden. Die Erträge sind aus verschiedenen Gründen geringer als in anderen Teilen Deutschlands. Sie waren zwar schon früh da, verbreitet wurden sie nicht von Norden, sondern von Frankreich her, erreichten aber nur langsam eine gewisse Beliebtheit. Mit Gnocchi haben Schupfnudeln trotz der ständigen Vergleiche überhaupt nichts zu tun. Gnocchi sind kleine Klöße aus Kartoffelteig, oft schmierig und immer klebrig, ein Gericht, das so wie Mochi aus Klebreis oft zu Erstickungsanfällen führt. Nicht so Schupfnudeln.

Für fünf Erwachsene nimmt man 1kg Teig, knetet ihn mit einem Ei, Salz, Muskatnuss von Hand gut durch. Kein Wasser für den Teig nehmen, auch wenn er am Anfang sehr trocken wirkt. Das wird schon, nur weiterkneten! Später klebt er stark. Der Teig wird hergestellt aus 500g Mehl (Dinkelmehl ist optimal) und 500g gekochten, geschälten und durchgedrückten mehligen Kartoffeln. Die sind der Knackpunkt: Bereits mit vorwiegend festkochenden Kartoffeln misslingt alles, wird bazig und klebrig. Es ist leider nicht mehr so einfach, wirklich mehlige und aromatische Kartoffeln zu bekommen. Der Kartoffelanteil kann und sollte auf 2/3 steigen, wenn die Sorte besonders hohen Stärkeanteil hat. Das ist bei gekaufter Ware trotz „Mehlig, Püreekartoffeln“ Vermerken längst nicht immer so. Zu früh geerntet oder ertragmaximierender Anbau verändert die Kocheigenschaften negativ. Ich baue dafür und für Püree Sorten wie Setanta (Irland) oder Arran Victory (Schottland) an. Speziell Setanta kommt auch gut in unserem Klima zurecht.

Dann werden die Nüdelchen mit der Hand geformt bzw. gerollt, 6cm lang, spitze Enden, ein Bauch in der Mitte. Das ist der Clou an ihnen: Weiche Mitte, festere Spitzen, große Oberfläche. Einen Schwung davon machen und auf einem bemehlten Brett ablegen, in kochendes leicht gesalzenes Wasser kippen, nach einer Minute steigen sie auf und können so fix abgeschöpft werden, wie eine Frau das mit Unterhalt macht. Übermengen kann man jetzt einfrieren. Was sofort gegessen wird, brät man in der Pfanne in Butter (also nicht zu heiß, nur leichte Bräune) und serviert es. Dazu passt alles, Schmorgerichte, Sauerkraut, Spargel... Es gibt sie sogar süß - dann mit Zucker zubereiten, sie in karamellisiertem Zucker in der Pfanne glasieren, mit Puderzucker bestäuben oder sie in Mohn wälzen. Kartoffeln süß, das ist eher selten.

Krautkrapfen

Im Allgäu und in Oberschwaben war das ein Standardgericht, das mindestens einmal die Woche serviert wurde, gegessen oft direkt aus der Pfanne.

Dafür 1kg kräftiges Sauerkraut (nicht „mild“), 3 Lorbeerblätter, 8 Wacholderbeeren, 1 Nelke, Salz, 8 Pfefferkörner, kleingeschnittenen Apfel und Weißwein 5-15 Minuten dünsten, etwas abkühlen lassen. Geschmeidigen Nudelteig herstellen aus 400g Weizenmehl, 1 Ei, Salz, geriebene Muskatnuss, etwa 120 ml Wasser, 1 EL Öl. In vier Teile schneiden und jeweils dünn auf bemehltem Untergrund zu einem Rechteck auswellen, es könnte dann etwa 30x25cm haben. Das lauwarme Sauerkraut auf dem Teig verteilen und wie eine Roulade aufrollen. Mit einem scharfen Messer etwa 5 cm breite Stücke abschneiden. Butterschmalz in einer 28cm-Pfanne erhitzen. Die Krautkrapfen mit der Schnittfläche nach unten hineinlegen und anbraten. Nicht bewegen, sie sollen unten leicht bräunen. Zum Schluss ist die Pfanne dicht besetzt. 500ml Gemüsebrühe dazu gießen und in ca. 25 Minuten mit wenig Hitze unter geschlossenem Deckel gar dünsten. Durch Öffnen des Deckels kann man regulieren, ob die Krautkrapfen mehr knusprig oder mehr gedämpft sein sollen. Gegen Ende kann man 2-3 gerührte Eier darüber geben oder heißes Butterschmalz oder geschmälzte Zwiebeln. Fertig. Hatte man zu viel Hitze und sind die unteren Ränder zu dunkel, schneidet man sie einfach ab. Habe noch niemand getroffen, der gut gemachte Krautkrapfen nicht mag. Dazu ein leichtes helles untergäriges Voll- oder Schankbier. Tipp: Zötler Gold oder 1447 naturtrüb (aber schwer zu bekommen), Neumarkter Lammsbräu Edelhell oder Urstoff (leichter zu bekommen). Auch ein Apfelmostschorle passt.

Pfitzauf

Als schnell vorbereiteter klassischer Nachtisch sind Pfitzauf ungemein beliebt gewesen. Pfitzauf sind eine Art Soufflé aus kräftigem Pfannkuchenteig. Für 4 Personen nimmt man 250g Mehl und die doppelte Menge Milch, pro Person ein Ei, 40g (oder nach Geschmack) Zucker und 70g zerlaufene Butter, eine Prise Salz. Mehl mit der Milch verrühren, den Rest zugeben, mischen. Pfitzaufformen (sind auch für andere Desserts sehr praktisch) oder Tassen gründlich einfetten, Teig darin verteilen. Bei 200 Grad gehen sie in 25 bis 30 Minuten um das Dreifache auf. Man muss da etwas experimentieren, unter Umständen auch erst bei 150 Grad 25 Minuten backen und dann die Temperatur erhöhen, nochmal 20 Minuten. Nicht die Tür öffnen, sonst fallen sie wie jedes Soufflé zusammen. Nach dem Backen noch kurz im abgeschalteten Ofen stehen lassen. Mit Weinschaumsoße, Fruchtsoßen servieren oder mit einer Vanillesoße. Der Teig wird durch verdampfendes Wasser aufgetrieben, die Eier sorgen dafür, dass er formstabil bleibt, das Mehl hält die Endstruktur. Man isst sie mit zwei Gabeln, reißt sie auf, zieht sie durch die Soßen.

Die Geheimnisse der Laugenbrezelsuppe, der vielen Spätzlevariationen, Maultaschen, Grünkerngerichten, Rohrnudeln, Felchen, Backgenüsse, Musvariationen und vieles mehr sind später zu ergründen. Was kochen die geneigten Leser am liebsten selbst, abgesehen vom Steak, das in die Pfanne geworfen wird?

P.

Weiterführender Link: TrennungsFAQ

Ratsuchende Väter finden im TrennungsFAQ-Forum konkrete Hilfe

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