Gastautor: Pancho
Die Entscheidung war gefallen, ein eigener eRoller muss her.
Anforderungen
Erfahrungen mit allen möglichen Mietrollern hatte ich inzwischen genug gesammelt, diverse Angebote hier und da gesehen, also hingesetzt und ein Kriterienkatalog erstellt. Dieser ist natürlich individuell und berücksichtigt die gegebenen Rahmenbedingungen und die persönlichen Vorlieben, die insgesamt bei anderen ganz anders sein können. Ich mache sowas, wie es bei Ausschreibungen gemacht wird, nur in vereinfachter Form: A-(Ausschluss-), F-(Forderung), I-(informativ). Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht, am Ende wird es also immer ein Kompromiss werden. Die A-Kriterien sind zwingend, alles andere hängt vom Preis-Leistungs-Verhältnis ab.
(A) Herausnehmbarer Akku: In unserer TG gibt es keine Steckdosen, d. h. Laden ist nur möglich im Kellerabteil (gefällt mir nicht, weil keiner mitbekommen würde, wenn der Akku hochgeht) oder in der Wohnung. Bei gutem Wetter auf der Loggia, ansonsten im Bad, weil das fast komplett verfließt ist und ich meine, es im Notfall besser dort handeln zu können. Falls nicht, bekomme ich es hoffentlich rechtzeitig mit, um flüchten zu können :)
(A) Federung, anpassbar: Leihroller haben das meist nicht, d. h. jede Bodenwelle, jeder Versatz, alles wird 1:1 auf den Fahrer weitergegeben. Das möchte ich netter haben. Man wird nicht jünger und die Fahrten sollen angenehm sein.
(A) Konformität/Zulassung: Selbstredend, dass der Roller die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen muss. Er soll als Transportmittel dienen. In dem Zusammenhang die Bestimmungen geprüft, worunter auch die Versicherungspflicht fällt. Preise abgefragt, gar nicht lange weitergesucht, die rd. 70.- im Jahr Haftpflicht und Teilkasko (inkl. Diebstahl) sind nicht der Rede wert. Geht vielleicht irgendwo paar Euro billiger, ich mache das aber bei der Agentur, die Kunde von mir ist. Geben und Nehmen und im Zweifelsfall kümmern die sich um alles. Die aktuellen Vorgaben kann man in der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV nachlesen, darunter gehören u. a.: Lichtanlage, Blinker, Hupe, getrennte Bremsen, usw.
(F) Reifengröße: Die kleinen Reifen bedeuten weniger Stabilität und erhöhte Sturzgefahr. Größere Reifen wären also vorteilhaft, sind aber nicht entscheidend. Am Ende hängt es davon ab, was angeboten wird und ob die Kandidaten meine A-Kriterien erfüllen.
(F) Reichweite: Reichweiten variieren sehr stark und viele Faktoren beeinflussen die tatsächlichen Werte. Lange Touren sind nicht geplant, vielleicht fahre ich aber mal jemanden besuchen, der 15 km entfernt wohnt und das sollte möglich sein. Auch möchte ich nicht nach jeder zweiten Stadtfahrt den Akku herausholen, hochschleppen und laden müssen. Jeder weiß, dass Herstellerangaben optimiert sind und die Realität anders aussieht, daher einen Richtwert von +/- 100 km angesetzt, der jedoch ggf. verhandelbar ist.
(F) Freischaltung: Einfach angenommen, dass jeder Roller irgendeine Art von Zugangskontrolle hat. Schön wäre eine, die keine App auf dem Smartphone erfordert. Imho völlig unnötig und ggf. ein Problem, da mein Smartphone veränderte Software hat und gerootet ist.
(F) Hersteller: Wie so oft hat man die Wahl zwischen günstige Nonameprodukte und Markengeräte. Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Man kann einen günstigen eRoller kaufen und so argumentieren, dass, solange die Gewährleistung hält, es ausreichend ist. Danach entsorgt man ihn und kauft den nächsten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachfolgeprodukte mehr Features haben, ist groß. Bei dieser Anschaffung kam das bei mir nicht infrage und mit Wünschen braucht man in dieser Kategorie gar nicht erst anzufangen. Ich wollte einen Hersteller, den es (hoffentlich) morgen auch noch gibt und bei dem Ersatzteile bestellen werden können.
Auswahl
Die günstigsten Roller fangen tatsächlich bei ca. 160,– Euro an. Da ich Wünsche und Kriterien habe, war klar, dass es teurer werden wird und diese Angebote alle nicht infrage kommen. Als Unbedarfter ist die Suche nicht ganz einfach. Xiaomi (Hinweis eines Freundes) hat nette Sachen, aber nichts, was meinen Anforderungen genügt. Weiter also zu Segway. Der Ninebot Max G3 D erfüllt etliche Kriterien, scheidet aber aus, da der Akku zwar austauschbar ist, aber eben nicht einfach herausnehmbar. So richtig fündig bin ich nicht geworden und meinte schon mit meinen Anforderungen zu viel zu wollen. Dann kam der verehrte Der Herr und erzählte hier von seinem Roller mit größeren Reifen, herausnehmbarem Akku, für 699,–. War nah dran den zu bestellen, dann berichtete er über die bescheidene Qualität, erste Probleme, geringe Reichweite und fehlenden Support, den er sich von seinem Händler erhoffte. Damit war dieser Roller bei mir raus. Da ich nichts Passendes gefunden habe, das Thema erstmal ruhen gelassen. Dann erwähnte unser verehrter Strandläufer den Elite X von IO Hawk. Kurz gescheckt, es gibt inzwischen den Elite X 2.0 und der erfüllt nicht nur locker alle meine Kriterien, sondern bietet etliches mehr. Nun kenne ich die Firma nicht, sie sitzt in Krefeld aber die Empfehlung von Strandläufer war für mich viel Wert. Auch wenn wir uns nicht persönlich kennen, wir haben etliche Aktionen (Übernahme des MMs, das Kirby Upgrade, …) gemeinsam hinter uns gebracht, dabei z. T. stundenlang telefoniert und er genießt mein volles Vertrauen. IO Hawk verlangt Vorauskasse, was ich unter anderen Umständen nicht gemacht hätte, denn sie sagen nicht mal einen Liefertermin definitiv zu und wir reden von rund 1.500 Euro. Der Rest ist bekannt, 71 Tage zwischen Bestellung und Lieferung, wobei ich nach der zweiten Vertröstung durchaus den Gedanken hatte, dass mein Geld möglicherweise dahin ist.
Wenn mich nicht alles täuscht, dann war es der verehrte Prüfende Blick, der den VMax VX4 aufgebracht hat. Klingt gut, hat aber keine Federung hinten und die Empfehlung ist, den Akku vom Servicepersonal auswechseln zu lassen. Das Ganze für 1.799 CHF, Zulassung in DE unklar.
Keine Frage, dass es womöglich derzeit Besseres gibt, als den Elite X 2.0, ich habe zumindest nichts gefunden, was annähernd rankommt und schon gar nicht zu dem Preis. Am ehesten ist er vielleicht mit der Hilde (Hersteller Trittbrett) vergleichbar, die Hilde ist aber deutlich teurer (auch Zubehör und Ersatzteile) und hat im Steigungstest bescheiden gegen den Elite X 2.0 abgeschnitten. Links am Ende des Artikels.
Bin jetzt versorgt, falls aber jemand was Besseres findet, so möge er das bitte in die Kommentare schreiben. Vielleicht denkt der eine oder andere auch über eine solche Anschaffung nach.
Die Features des Elite X 2.0 aufzuzählen, erspare ich euch. Die sind alle auf der Webseite von IO Hawk nachlesbar.
Unboxing
Das Paket ist riesengroß und der Roller ist deutlich schwerer, als seine Konkurrenten. 40 kg betriebsbereit sind schon heftig. Der Roller kam fast betriebsbereit und gut verpackt an, sie versenden per Spedition, d. h. Transportschäden sollten nicht so oft vorkommen. Der Roller macht einen sehr guten Eindruck. Kein Billigkram, sondern solide gebaut. Die Entwickler haben die Verbesserungsvorschläge der Nutzer zum 1.0'er ernst genommen und etliches verbessert.
Inbetriebnahme
Geht schnell: Es müssen lediglich die hinteren Blinker angeschraubt werden (Werkzeug liegt bei), dann kann es im Prinzip schon losgehen, sofern man ein Nummernschild hat. DE und seine Verordnungen. Vertrag und Bestätigung hin oder her, ohne Nummernschild wird der Roller als unversichert gewertet. 40 Euro Bußgeld sind einem schon mal sicher. Wenn es dumm kommt, dann wird es noch teurer. Empfohlen wird noch einen Kabelschutz zu entfernen, wofür aber kein Werkzeug mitgeliefert wird.
Die Kontrolle vor Versand bei IO Hawk scheint zu passen, denn alle Schrauben waren fest und die Reifen gut gefüllt.
Hinweis: Eine App soll noch kommen, die kann aber nicht mehr, als das, was man eh selbst am Roller einstellen kann, imho also ein Goodie für den, der darauf steht. Persönlich brauche ich das nicht.
Wie bei den meisten "besseren" Rollern kann man etliche Einstellungen zum Ansprechverhalten vornehmen. (Non) Zero Start ist eine der wichtigsten und besagt, ob man den Roller anschieben muss oder einfach nur aus dem Stand Gas gibt. Die andere wichtige Einstellung ist die Anfahrstärke, die man meist zwischen "Easy", "Middle" und "Hard" einstellen kann und die übersetzt bedeutet, wie giftig sich der Roller beim Anfahren verhält. Voreingestellt ist "Middle" und die Testfahrt in der TG zeigte, dass diese Einstellung schon heftig ist, wenn man Miet-Roller gewohnt ist. Selbst bei "Middle" schafft man durchdrehende Reifen, "Hard" teste ich, wenn ich mich an die Leistung gewöhnt habe.
[Anmerkung: Beim meinem Roller war "Hard" voreingestellt, was das giftige Verhalten beim Test erklärt]
Fazit
Der Roller erfüllt alle Erwartungen und übertrifft sie sogar. Nach der Feinjustierung (Federung auf weich, Zero Start, Ansprechverhalten auf "middle", …) macht der Roller einfach nur Laune. Die ersten Fahrten waren ein Genuss und kein Vergleich zu den Mietrollern. Für weitergehende Infos zur Reichweite und besondere Situationen ist es noch zu früh. Werde darüber regelmäßig berichten. Die eBremse ist überraschend gut, will aber gefühlvoll dosiert werden, ansonsten blockiert schnell das Hinterrad. Die Scheibenbremsen funktionieren top und aufgrund seines Gewichtes und tiefem Schwerpunkt liegt der Roller super auf Straße. Solche Roller könnten sicher auch deutlich schneller fahren, ohne dass man das Gefühl hat, dass sie instabil werden.
Kritikpunkte habe ich tatsächlich bisher keine. Zumindest nicht den Roller betreffend. Schade ist, dass weitere "normale" NFC-Chips (zwei werden mitgeliefert) voraussichtlich erst in rd. acht Wochen lieferbar sind. Die derzeit erhältlichen sind die "Gold"-Edition für 29,90. Unverständlich: Das Display verfügt über eine USB-C Buchse, an der man ein Smartphone laden kann. Eigentlich eine tolle Sache. Aber: Die Smartphonehalterungen bei IO Hawk sind ausverkauft und auf meine Nachfrage hin, hieß es, dass Smartphonehalterung vorerst nicht mehr angeboten werden.
Insgesamt verwunderlich: So ziemlich alles im Zubehörshop ist ausverkauft. Was davon wiederkommt, steht in den Sternen.
Links
IO-Hawk Elite X 2.0: https://iohawk-europe.com/onlineshop/Elite-x-20_5
Trittbrett Hilde: https://www.trittbrettoriginal.de/shop/e-scooter-hilde-the-beast-685#attr=857
Steigungstest Elite X 2.0 vs. Hilde: https://www.youtube.com/watch?v=e-9fbusdnk8