Gastautor: Pancho
Der Kampf um jeden Zentimeter auf Deutschlands Straßen in den Innenstädten wächst von Tag zu Tag und es scheint, dass alle Mittel recht sind, um Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen. Allen voran die Städte selbst. Das große Ziel ist es, Autos aus der Innenstadt zu verbannen und das macht man in dem man das Autofahren so unattraktiv wie möglich macht. Es gibt zwar einen Trend eAutos attraktiv zu machen, der ist aber nicht ernst gemeint. Am Ende leiden auch eAuto-Fahrer unter den gleichen Schikanen und die sogar etwas mehr, weil die Ladeinfrastruktur einfach nur ein schlechter Witz ist. Ähnlich ergeht es Carsharing-Anbietern.
Dieser Artikel beschreibt die Situation aus der Wahrnehmung eines 08/15-Bürgers, der nur von A nach B kommen möchte und dies meist nicht mal zum Vergnügen macht, sondern, weil er Kundentermine wahrnimmt oder normale Dinge zu erledigen hat. Er lebt in einer Großstadt, die gerade mal so den Titel Großstadt aufgrund der Einwohnerzahl hat, am Ende aber ein überschaubares Kaff ist. Der Autor lebt gerne dort, denn es ist ruhig. Selten gibt es endlose Staus und wenn, dann nur auf den Zubringern, sei es AB oder Bundesstraßen. Die Verkehrsführung ist hier eigen. Sehr eigen. Wer hier wohnt und sich auskennt, der kommt damit klar, Besucher werden jedoch zum Wahnsinn getrieben. Die Stadt wird abwechselnd schwarz/rot und rot/grün regiert. Im Grunde tun alle dasselbe, die derzeitige rot/grüne Regierung ist nur im Kampf gegen die Autos noch aggressiver.
Hier gibt es keine U-Bahn und keine innerstädtische S-Bahn. Es gibt Busse und ansonsten zwei Bahnhöfe und eine S-Bahn Linie zu den Nachbarstädten. Mittelpunkt des Busverkehrs ist die Haupthaltestelle im Zentrum, wo sich auch der HBF befindet. Bushaltestellen sind eher dünn gesät, die Taktung mehr als bescheiden, was so viel bedeutet, dass man i. d. R. um von A nach B zu kommen, erstmal ordentlich zur nächsten Bushaltestelle laufen muss, dort einen Bus zu HBF nimmt und dort den nächsten Bus in die gewünschte Richtung nehmen muss. Profis können es vielleicht etwas abkürzen, es ist und bleibt aber eine unzufriedenstellende Lösung, die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.
Im Kernbereich der Innenstadt, wo alles Wichtige ist, ist es eine einzige Katastrophe. Anwohner dort haben selten einen TG-Platz, o. ä., sodass fast alle Parkplätze Anwohnerparkplätze sind und die Berechtigungen dazu in vielfacher Menge verkauft werden. Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Parkplätze in sog. Ruhezonen (man platziert unsinnige Holzsitzlandschaft mit drei abgestorbenen Pflanzenkübel auf 1-2 Parkplätze) umgewandelt werden. Diese Ruhezonen sollen zum Verweilen und Entschleunigen dienen. Selbstredend, dass noch nie jemanden dort jemanden hat sitzen sehen. Wer setzt sich schon direkt an die Straße zum Verweilen hin, um Anwohner, Besucher, Lieferanten zuzusehen, wie sie verzweifelt nach einem Parkplatz endlos Runden drehen?
Damit nicht genug. Ganze Fahrstreifen, selbst in Außenbereichen, wo kaum ein Fahrrad unterwegs ist und es einen breiten Fahrradweg gibt, werden zu Bus- und Fahrradfahrbahnen umgewandelt.
Im Wesentlichen gibt es drei Einfallstore in die Stadt, die täglich sehr frequentiert sind, weil die namhaften Arbeitgeber überwiegend in der Innenstadt sind. Die Stadt schafft es regelmäßig Baustellen gleichzeitig auf zwei von drei Zufahrten einzurichten, die monatelang anhalten und das Chaos perfekt machen.
Lassen wird es dabei sein, die Leser werden vermutlich ähnliche Gegebenheiten aus ihrer Stadt kennen.
Was hat das alles mit eScooter / eRoller zu tun?
Während der Kampf zwischen Auto- und Fahrradfahrern sich weiter zuspitzt, dazu noch die eRäder dazukamen, waren plötzlich mietbare eRoller da und die Reaktion darauf ist/war interessant zu beobachten. Es scheint nur ein Lieben oder Hassen zu geben. Eine Gruppe ist komplett dagegen und kämpft mit aller Macht gegen die eRoller. Warum? Das mögen vielleicht mal Forscher herausfinden. Dazu später mehr.
Als ich die zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich auch: „Was ist das für ein Unsinn, wer braucht sowas?“ Etliche Leser sehen es genauso, meine Meinung sollte sich aber grundlegend ändern, was ich da aber noch nicht wusste.
Begonnen hat es wieder einmal mit dem besten Kumpel. Wir sind mit dem Auto in eine andere Stadt gefahren, haben sein Firmen-eAuto zum Laden eingesteckt, es war kein Supercharger, also war klar: Bis morgen früh haben wir kein Auto mehr. Typischerweise geht es erstmal in das jeweilige Hotel, es wird sich frisch gemacht und dann geht’s los. Ich fragte noch: „Taxi?“ , worauf er meinte „Nö, wir nehmen eRoller“. Nichts gesagt, ich vertraue ihm voll und wenn er das sagt, dann wird das schon ok sein.
Los ging’s… Unmittelbar vorm Hotel vor zwei eRoller gestanden. Ich, jungfräulich, keine Ahnung und erst recht keine App, gucke fragend. Er schaltet mal eben per Gruppenfahrt zwei Roller frei und ab gings. Was soll ich sagen? Das Wetter war toll, man kommt wunderbar durch und wir waren ruckzuck ohne zu schwitzen im Restaurant unserer Wahl angekommen. eRoller abgemeldet, fertig. Gekostet hat es insgesamt 5 oder 6 Euro. „Gar nicht schlecht“, dachte ich mir. „Die Dinger sind doch zu was gut“. Nach dem Essen ging es weiter zur Partystätte unserer Wahl. Die Roller standen noch vor dem Restaurant, also Gruppenfahrt und weiter gings. Auf halber Strecke mit den Zonen Bekanntschaft gemacht und gelernt, dass man mit Mietrollern nicht überall hinfahren kann. Kein Problem, nahe der Zonengrenze beim Fahren nach Roller von einem anderen Anbieter gesucht, gefunden, umgestiegen und fröhlich ans Ziel gekommen. Mit Bus, S-Bahn oder Taxis hätte es deutlich länger gedauert und hätte je, nachdem ein Vielfaches gekostet.
Ab diesem Tag habe ich eRoller für mich entdeckt. Zu Hause angekommen, die örtlichen Anbieter geprüft, Konten angelegt, Zahlungsinfos hinterlegt und mietbare eRoller wurden zu meinem Haupttransportmittel in der Stadt. Friseurtermin, kleine Besorgung, Behördengang, usw.? Der Weg zum nächsten eRoller war meist kürzer, als zur Bushaltestelle. Es hat einfach Spaß gemacht. Keine Parkplatzsuche mehr und kennt man die Innenstadt, was nach über 40 Jahren selbstredend ist, dann kommt man rasend schnell von A nach B. Je nach Verweildauer blockt man den eRoller, dann ist er noch da, wenn man fertig ist.
Meine Welt war in Ordnung, die Mietroller fester Bestandteil in meinem Leben.
Zwischeneinwurf zum Thema Sicherheit
Einmal im Jahr gibt es hier ein Stadtfest über mehrere Tage hinweg. Mit dem Auto hinzufahren ist die Hölle und auch ziemlich dämlich, wenn man was trinken möchte.
Als mal die süße COL Maus da war und gerade das Fest lief, beschlossen, dass ich sie hinbringe, damit sie auch was typisch Deutsches kennenlernt. Alternativen: Bus (langwierig und umständlich), Taxi (teuer), also kurzerhand gesagt: „Wir fahren eRoller“. Kannte sie nicht, ein paar Meter gelaufen, zwei Roller freigeschaltet und durch die Stadt gedüst, vieles gezeigt, und es hat ihr irren Spaß gemacht. Sie war völlig begeistert und wollte unbedingt, dass ich ein Video von ihr aufnehme, während sie eRoller fährt. Frauen …, aber merke: Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch :)) wir waren dann auf dem Fest, sie hat Dirndl kennengelernt und die erste Radlermaß (Mischgetränk; 1 Liter; halb Bier, halb Limo; echt nur im Steinkrug) ihres Lebens getrunken. Als es irgendwann heimgehen sollte: Wir stehen bei den eRollern und die App sagt, ich müsse einen Reaktionstest machen, ob ich noch fahrtauglich bin? Überrascht, da ich nicht wusste, dass es sowas gibt und im ersten Moment überfordert, zweimal verkackt. Nein, wir waren nicht betrunken, sondern ich habe nur etwas gebraucht, um zu kapieren, wie der Test lief. Dann erfolgreich die Roller freigeschaltet und heimgefahren.
Was habe ich all die Jahre vorher gemacht? Wie tausende andere auch? Ich bin mit dem Fahrrad zum Fest, habe mir einen ordentlich hinter die Binde gekippt, bin aufs Fahrrad gestiegen und taumelnd nach Hause gefahren. Polizei? Kein Problem. Es ist Ausnahmezustand in dieser Zeit und die sind einfach nur froh, wenn die Massen heimfinden. Angetrunken, taumelnd Fahrrad zu fahren geht da für sie i.O. Man muss schon extrem neben der Kappe sein, dass sie einen aufhalten.
Im Hinblick auf die eigene Sicherheit und die der Anderen sind die Mietroller ein Plus. Wäre ich besoffen gewesen, wäre ich entweder mit dem Taxi (schwer zu kriegen), Bus (übelst zu der Zeit) nach Hause gelaufen.
Zurück zum Thema
Aber ach! Warum auch immer so viele so einen Hass auf die eRoller haben … Ich verstehe es nicht. Man beschwert sich, dass sie angeblich wahllos abgestellt werden und behindern. Really? Ist das so? Jeder Radfahrer stellt sein Fahrrad ab, wo er möchte und nimmt null Rücksicht darauf, ob es im Weg steht. Nachdem die Stadt Lastenräder fördert, nehmen auch die zu, werden auch wahllos abgestellt und nehmen locker den Platz eines halben Autos weg. Das ist alles ok, darüber regt sich keiner auf. Aber die kleinen eRoller. Ja, die sind das Problem und stören.
Dieser Hass auf eRoller hat dazu geführt, dass man die Miet-eRoller immer weiter einschränkt. Die roten Zonen in den Apps werden immer größer, die Abstellplätze immer weniger.
Vor nicht allzu langer Zeit war am Ende der Straße wo ich wohne ein Pool. Wurde gestrichen, d. h. ich muss deutlich weiter laufen, um einen eRoller zu bekommen. Roller vor dem Friseur für 30 Min. abstellen? War früher kein Problem, ist jetzt eines, geht nämlich nicht mehr. Man kann (noch?) durch die Innenstadt fahren, abstellen ist aber nicht mehr. Beim letzten Friseurtermin musste ich den Roller rund 600 m vom Friseur abstellen.
Nochmal zur Erinnerung: Ein eigenes Fahrrad kann man wahllos überall hinstellen. Da motzt keiner.
Noch ein Pro für Miet-eRoller
Beim vorletzten Besuch in Sofia war es an der Zeit die Vitosha Boulevard zu besuchen. Das ist eine 2,7 km lange Straße im Zentrum, überwiegend Fußgängerzone von Unmengen an Restaurants, Cafes, Läden, usw. gesäumt. Dazu ein schöner Park zum Verweilen. Wer mal nach Sofia kommt: Schaut es euch an. Alleine schon aus dem Grund, wie friedlich, nett, einladend so eine Meile sein kann, wenn sie quasi Bückbeter-frei ist. Die ein bis drei verhüllten Opfer der kranken Religion, die man dort evtl. trifft, halten sich extrem bedeckt und man nimmt sie kaum wahr. Talahühner? Keine Spur von. Messernde? Gibt es nicht. Die wären schneller bei ihrer 72-jährigen Jungfrau, als sie den Namen ihres Pädo-Propheten sagen können. Der gemeine Bulgare trägt immer ein Messer mit sich. Und nein, das sind keine Taschenmesser, das sind Messer, die an die Szene von Crocodile Dundee mit dem berühmten Zitat „DAS ist ein Messer“ erinnern. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Bulgaren stechen sich nicht gegenseitig ab. Die Messer haben sie dabei, um u. a. eine sehr lange, dünne, zusammengerollte Salami zu schneiden. Auffällige Fachkräfte? Falls es welche gibt, dann halten sie sich extrem zurück, denn der gemeine Bulgare als solches ist nett und offen, hat es aber mit Respekt und würden niemals solche Zustände, wie in deutschen Städten dulden. Sowas regeln sie kurzerhand selbst. Ich schweife mal wieder ab.
Wir sind also mit dem Auto dahin und schnell war klar, dass es keine gute Idee war, also weit vorher einen Parkplatz gesucht, Auto abgestellt, ein paar Meter gelaufen, zwei Roller gefunden und kurzerhand zur süßen BG Maus gesagt, dass wir mal was ausprobieren. Smartphone raus, dt. App des Anbieters geöffnet, überrascht, dass es geht, beide Roller als Gruppenfahrt freigeschaltet und ab die Post. Hat Laune gemacht. Im Gegensatz zu meiner Stadt kann man dort in jeder Seitenstraße die eRoller parken, was wir mehrfach genutzt haben. Anschließend noch durch den Park gefahren und auch hier etwas Neues gelernt. In solchen Gebieten wird automatisch die Geschwindigkeit der eRoller gebremst. 7 km/h, mehr geht nicht. Und ja, ich finde das gut. Man fährt langsamer, die eRoller sind eh leise, die Ruhe des Ortes bleibt gewahrt. Interessanterweise hat in Sofia keiner ein Problem mit eRollern.
Fazit
Mache mögen eRoller für Unsinn, schwuchtelig und was auch immer halten. Ich mag sie und für mich sind sie eine wunderbare Alternative, um mich in der Stadt zu bewegen. Ich wäre gerne bei Miet-Rollern geblieben, die immer weitergehenden Einschränkungen nerven aber. Dazu kommt, dass Tier an Dott verkauft wurde, man für diese eRoller nun eine neue App benötigt und die nicht mit gerooteten Smartphones funktioniert. Die unmissverständliche Botschaft der Stadt und der Gesellschaft ist also: Weg mit Miet-eRollern.
Fuck you ist meine Antwort darauf und damit stand fest: Ein eigener eRoller muss her.
(Fortsetzung in Teil 2)
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